Hans Grasberger                    Sonette aus dem Orient

Carl von Birkenbühl                  

1836-1898

 

Von den einhundertfünfzig 1864 unter dem Pseudonym „Carl von Birkenbühl“ veröffentlichten

Sonetten wurden nur103, bearbeitet und in anderer Reihenfolge, in die späteren Ausgaben

unter Klarnamen übernommen. Die Reihenfolge folgt hier der Ausgabe von 1864.

 

1864

 

1873

See und Hafen

 

Strom im Meer

 

Wir fuhren auf der großen Wasserwüste,

So weit das Auge reichte, spiegeleben;

Kein grünes Eiland, keine ferne Küste,

Sogar kein Wölklein im Vorüberschweben!

 

Wie nun mein Herz sein großes Sehnen büßte!

Die weite Leere macht’ es zaghaft beben, -

O daß mich einer von den Bergen grüßte

Der Heimat, die so stolz zum Himmel streben!

 

Doch horch, ist’s eines Stromes Rauschen nicht?

Die träge Flut durchwühlt des Dampfers Rad

Und mächt’gem Strome gleicht der Wasserpfad.

 

Aufperlend kühlt der Schaum mein Angesicht –

Ich seh’ auf Wellenspiel, so brausend, schäumend,

Von deinen Wassern, grüne Heimat! träumend.

 

 

Meerfahrt

 

I.

 

...

...

...

...

 

...

...

...

Die kühn zum heimatlichen Himmel streben!

 

Doch horch, ist’s eines Flusses Rauschen nicht?

...

...

 

Aufperlend kühlt der Schwall mein Angesicht;

Ich starr’ in’s Wellenspiel, so kraus und schäumend,

...

An die Möwen

 

Seid mir gegrüßt! Ich folge gleichem Drang.

Das Meer beschaut ihr euch im raschen Fluge,

Die Flügel kühlend in der Flut, dem Zuge

Der Schiffe folgt ihr unermüdet lang.

 

Wenn uns vom liebgewordnen Strande zwang

Der Wind, ihr waret niemals im Verzuge;

Die sich zu weit gewagt, die minder Kluge,

Umklammert herzhaft eine Mastenstang’.

 

Ihr mahnet uns an nahe Sturmesstunde,

Wenn ängstlich euer Flug und schrill der Pfiff.

Und silberhell nicht glänzen eure Schwingen;

 

Ihr bringt uns nahen Landes frohe Kunde,

Ihr warnet treu uns vor dem falschen Riff

Und vor den Fluten, die das Wrack verschlingen.

 

 

Meerfahrt II.

 

...

...

Und netzt das Flügelpaar und folgt dem Zuge

der kühnen Menschenschifflein gern und lange.

 

Ob plötzöich vollsten Wind das Segel fange,

Ihr, Möwen, seid doch niemals im Verzuge.

...

...

 

Ihr mahnt uns an die nahe Sturmesstunde

...

Und matter glänzen eure Silberschwingen.

 

Ihr bringt von Land und Hafen frohe Kunde

Und warnt uns treulich vor dem falschen Riff.

Und vor den Wirbeln, die das Wrack verschlingen.

Hafenrast

 

Es naht der Dampfer, rein vom Ruß’ und Fette.

Bald rasseln laut der Ankerkette Glieder,

Geschäftig eilen Barken hin und wieder

Und zeichnen Bahnen auf die Spiegelglätte.

 

Es schlingt vom Boote sich der Rede Kette

Zum Deck hinan und vom Geländer nieder;

Matrosen, schmuck gekleidet, summen Lieder

Und rühmen ihre Fahrten um die Wette.

 

Sonntäglich heiter ist die Hafenrast

Und freudig schwankend tritt der Fuß an’s Land,

Wenn festlich sich verbrüdern Stadt und Mast.

 

Wen Stadt und Freunde nicht zum Molo riefen,

Der schaut in’s dunkle Meer vom Schiffesrand

Und schaut des Mondes Feuerhieroglyphen.

 

 

 

Meerfahrt VII.

 

Der Dampfer naht, vom Ruße rein und Fette,

Zum Grunde fährt die dreigezungte Hyder,

...

...

 

Vom Boote rankt sich der Begrüßung Kette

Zum Deck hinan, vom Deck zum Boote nieder,

Matrosen, schmuck gewichste, summen Lieder

...

 

...

...

...

 

und wenn dich keinerlei Sirenen riefen,

Belausch das Meer und schau vom Schiffesrand

Des Mondes Bild in Flammenhieroglyphen.

Addio!

 

Es dämmert; zögernd stoßt das Boot vom Lande.

Wie nahgerückt hier Gruß und Abschied sind!

Der Dampfer raucht, den Rauch entführt der Wind

Und ächzend steigt der Anker auf vom Sande.

 

 

Addio! ruft das Volk vom Molorande,

Hurrah, der Antwortruf, verhallt geschwind.

Wie rasch an Ruderkraft das Schiff gewinnt!

Nur lichte Punkte grüßen noch vom Strande.

 

Und wie nun aus der Bucht der Dampfer biegt,

Das Land wie Schatten in der Ferne liegt –

Da läßt das Auge selbst vom Schatten schwer.

 

Noch weidet sich der Blick an hellem Strahle,

Auf Klippen steht das leuchtende Fanale, -

Dann herrscht nur Nacht und Schweigen auf dem Meer.

 

 

Meerfahrt IX.

 

...

Wo Gruß und Scheiden sich zu nahe sind;

Schon qualmt der Schlot, den Rauch entführt der Wind,

Der Anker reißt sich ächzend los vom Sande.

 

Hurrah! vom Bord, Addio! her vom Strande,

Und Gruß um Gruß verweht, verhallt geschwind;

Der Ferne Dunkel macht das Auge blind,

Nur Punkte flimmern noch vom Molorande.

 

Und wie nun aus der Bucht das Schifflein biegt,

Nur noch ein Schatten auf den Schatten liegt,

Doch selbst vom Schatten läßt das Auge schwer.

 

...

Des über Klippen ragenden Fanale,

Dann dehnt sich Nacht und Schweigen übers Meer.

Delphine

 

Der Himmel grau und grau die Meeresbreite,

Nur silberweiß der Wellen krauser Saum!

Man unterscheidet Meer und Himmel kaum,

Und grauer Nebel hemmt den Blick in’s Weite.

 

Doch siehe, welch’ possierliches Geleite!

Delphine tauchen aus dem Wellenschaum;

Sie schlagen manchen kühnen Purzelbaum

Und weichen nicht von uns’res Schiffes Seite.

 

Vielleicht, um uns an nahen Sturm zu mahnen –

Selbst Möwen flogen rascher heut vorbei,

ihr Flug war scheu und gellend war ihr Schrei -;

 

Auch mögen sie, den alten Ruf zu wahren,

Schiffsfreundlich und gesellig sich gebahren –

Wie, sollten sie an Bord den Sänger ahnen?!

 

 

Regen

 

Es rauscht ringsum; ein Sündflutregen fällt,

Und ihn empfängt des Meeres weites Becken;

Den Himmel schwarze Wolken dich bedecken,

Von keinem Sterne wird die Nacht erhellt.

 

Der Seele bangt, der Mut ist all zerschellt,

Wenn Tropfen, plätschernd auf das Deck. dich wecken:

Was dich umgibt – ringsum derselbe Schrecken,

Es sinkt ein zweites Meer vom Himmelszelt!

 

Das Meer, träuft auch der Regen schwer und dicht,

Es wächst von Milliarden Tropfen nicht:

 

Hui! da erstarret der Gedank’ im Hirne,

Und kalter Schweiß entpreßt sich deiner Stirne,

Und Ahnungsschauer rieselt durchs Gebein –

Unendlichkeit! – Wie ist der Mensch so klein!

 

 

Meerfahrt III.

 

Die Nacht ist schwarz, von keinem Stern erhellt,

Kein Blick durchmißt der Finsternisse Strecken;

Es braust und prasselt, Sündflutregen fällt,

Es saugt ihn auf des Meeres weites Becken.

 

Weil Tropfen, plätschernd auf das Deck, dich wecken,

Erbangst Du, Herz, und ist dein Mut zerschellt?

Mehr ängstigt dich: ringsum derselbe Schrecken,

Es rauscht ein zweites Meer vom Himmelszelt!

 

Wer denkt es aus mit menschlichem Gehirne?

Das Meer, und rauscht der Regen voll und dicht,

Es wächst von Milliarden Tropfen nicht!

 

Hu, kalter Angstschweiß rieselt von der Stirne

Und Ahnungsschauer fröstelt durch’s Gebein:

Unendlichkeit! – o Mensch, wie bist du klein!

 

Begegnung

 

Wenn Meer und Himmelswölbung sich berühren

Und eine Linie kaum die Grenze zieht:

Wie schweift das Aug’! Ob es sich müde sieht,

Kein Halt ist ob den Wassern zu erspüren.

 

Entmuthigt sinkt der Blick. Doch sieh, es führen

Schiffsleute Gläser an das Augenlid:

Es naht ein Punkt, der wieder jäh entflieht,

Doch deutlicher sich bald beginnt zu rühren.

 

„Ein Schiff in Sicht!“ Und alle Blicke langen

Nach ihm, und weiße Segel, Masten, Stangen

Erscheinen nun, die stolze Flagge vorn’.

 

Ein Schiffergruß! Als Antwort scholl ein zweiter;

dann glitt der Segler haltlos, ruhig weiter,

Ein Riesenschwan, nach Stambuls goldnem Horn.

 

 

Meerfahrt V.

 

...

...

...

Kein Halt ist ob den Wassern aufzuspühren.

 

Entmuthigt sinkt der Blick ... doch siehe, führen

Schiffsleute Gläser nicht ans Augenlid?

Es naht ein Punkt der wieder schnell entflieht,

...

 

...

...

Erscheinen und die stolze Flagge vorn.

 

...

...

...

Morgen-Nebel

 

Ein Meer von Nebel auf dem Wassermeer!

Es ist das eine naß, das andre feucht;

Das eine braust, indeß der Dampfer keucht,

Das andre woget lautlos drüber her.

 

An deinen Wimpern hängt es trüb und schwer.

Wo weilt das Licht, das Nacht und Nebel scheucht?

Der Mast, er ist nur mehr ein Strunk; dich deucht,

Es sei das Schiff ein halbes Schiff nur mehr.

 

 

Wie schnell in Nebel Jener sich verlor,

Und schritt ja doch nur wen’ge Schritte vor! –

 

Bleibt eng und traulich auf dem Deck geschaart;

Umgeben oben, unten, ringsumher

Von dichten Nebeln, grausem Flutenmeer

Ist ganz und gar auch unsre Lebensfahrt.

 

 

Meerfahrt VI.

 

...

Das ein’ ist naß, das andre, leichtre, feucht;

Das eine braust zum Bord empor, der keucht,

Das andre wälzt sich lautlos drüber her.

 

An allen Wimpern hängt es trüb und shwer,

...

Sieh hin und sag, was Schiff und Mast dich deucht.

Der Mast ein Strunk, das Schiff ein Wrack nur mehr.

 

Bleibt eng und traulich auf dem Deck geschaart-

Wie Jener schnell im Dämmer sich verlor,

Und schnitt von uns nur wen’ge Schritte vor!

 

Wie diese, so des Menschen Lebensfahrt,

Umgeben oben, unten, ringsumher

Von grauen Nebeln, grausem Flutenmeer.

 

Das war die schönste Nacht der Wasserfahrten

 

Das war die schönste Nacht der Wasserfahrten!

Auf breitem Decke sich die Freunde schaarten

Entflohen den Cajüten, dumpfigschwer;

Es lag ein gold’ner Regen auf dem Meer.

 

Und nur ein Rückstrahl war’s, den wir gewahrten,

Von neuen Sternen, die sich offenbarten. –

Bald strömten deutsche Chöre, sinnig, hehr,

Das Wasser rauscht’, als ob’s der Nachhall wär’.

 

Und Lied um Lied; man ließ zu heit’ren Weisen

Von Hand zu Hand die Mandoline kreisen:

 

Ein feurig Lied, wie an Neapels Strande!

Und ein’s in prächtig spanischem Gewande!

Zuletzt des Griechenliedes helle Töne

Gemahnten mich an Hellas’ Licht und Schöne.

 

 

 

 

 

Maris stella

 

Ich lag auf stillem Decke, zugekehrt

Den wachen Blick den gold’nen Sternengleisen;

Gen Norden scheint die Lichterschar zu reisen,

Indes der schwarze Dampfer südwärts fährt.

 

Die schnelle Fahrt, wie lange sie doch währt!

Die Sehnsucht eilt voraus auf Schwingen, leisen,

Die Nacht vermag sie nicht zurückzuweisen –

Dort liegt das Land der Bibel, sonnverklärt! –

 

Vom Maste strahlt ein Lichtlein in die Nacht,

Zum Baume wird der Mast mit Raa’n und Tauen,

An dessen Rindenbrust ein Bild zu schauen,

Ein heilig Bild, davor das Lämpchen wacht!

 

Da staunt das Aug’ und betend lallt der Mund:

„Du gibst dich, Meeresstern! dem Pilger kund.“

 

 

 

 

 

Quarantaine

 

Wir sind im Hafen. Deutlich unterschieden

Am Molo wogt das Volk in bunter Tracht;

Es grüßt der Thürmchen, Kuppeln heitre Pracht,

Es lockt die goldne Frucht der Hesperiden.

 

Schon kehren Boote wieder, die erst schieden,

Und nehmen freudig auf der Segler Fracht; -

Bei uns nur legt nicht eines an. Die Nacht

Beginnt, wir sind vergessen, sind gemieden.

 

Auf uns’rem Decke gähnt die Langeweile;

Kein Kahn, daß er mit uns hinübereile,

Wird losgebunden, keine Brücke sinkt.

 

Die gelbe Flagge, die vom Maste weht,

Erzählt, wie träg’ ein Tag zu Ende geht,

Wie’s drüben Nachts von tausend Lichtern blinkt.

 

 

Meerfahrt VIII.

 

Quarantaine

 

...

...

Der Thürmchen grüßt, der Kuppeln heitre Pracht,

Und golden lockt die Frucht der Hesperiden.

 

Die Boote kehren wieder, die geschieden,

...

...

...

 

...

...

...

 

Der gelbe Wimpel, der vom Maste weht,

Gibt kund, wie träg uns hier ein Tag vergeht,

Der drüben noch in tausend Lichtern blinkt.

Idylle

 

I.

 

Wie horcht ich auf mit innigem Behagen!

Aus schönem Munde schöne deutsche Laute!

Ein blaues Auge mir entgegenschaute,

Als ich „Aus Deutschland, Sie?“ begann zu fragen.

 

Sie trat auf’s Deck, sobald der Morgen graute,

Und schritt an meiner Seite ohne Zagen;

Wir hatten viel einander bald zu sagen –

Noch klingt im Ohre mir der Ton, der traute.

 

Wir sahen auf zur goldnen Schaar der Sterne

Und auf die goldne Saat auf dunklem Meere

Und fühlten vor den Wellen uns geborgen.

 

Wir sprachen, wie die Heimat nun so ferne,

Wir tauschten „Guten Abend“! „Guten Morgen!“

So warm, wie’s kaum daheim geschehen wäre.

 

 

II.

 

Mathilde stieg nach grauser Sturmesnacht

Auf’s Deck, ihr sanftes Antlitz angstgebleicht,

Das Auge trüb, die Schritte schwankend sacht;

Sie nahm den Arm, zur Stütz’ ihr dargereicht.

 

Der goldnen Flut entschwebt in stiller Pracht

Die Sonn’, ein Schauspiel, dem kein and’res gleicht;

Auf Wellen glänzt ihr Bild vertausendfacht,

Wie weggehaucht der Nebelschleier weicht!

 

Des Mädchens feuchtes Auge klärte sich,

Die Wangen prangten wieder schön und jung,

Auf denen erst noch Todesblässe war;

 

Die Stunde war so hehr und feierlich,

So schwesterlich war uns’rer Seelen Schwung,

Als sollten wir uns trennen nimmerdar.

 

 

III.

 

Vor unsren Blicken lag die Hafenstadt*

Auf sanftem, halbmondförmig-grünem Kissen;

Die grünlichblaue Flut war völlig glatt,

Kein Strich am Spiegelbilde zu vermissen.

 

Es glänzt der Schnee wie Silber, strahlensatt,

Vom Haupte Libanons, aus Seitenrissen;

Wie sehr die Wüste sich genähert hat,

Läßt uns ein schmaler Streifen Goldes wissen.

 

An fremden Masten, weißen Segeln hing

Mein Aug’ und sog die Licht- und Farbenpracht, -

Mathilde weint, sie fühlt ihr Herz beschwert;

 

O daß sie von der Heimat Fluren ging!

Die Heimatliebe pocht mit aller Macht –

Noch bist du, Deutschland! solcher Thränen werth.

 

*Beirut

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Meerfahrt IV.

 

Mathilde stieg nach grauser Wetternacht

Auf’s Deck, das Angesicht noch angstgebleicht,

...

Sie nahm den Arm, zur Stütze dargereicht.

 

...

...

...

...

 

...

Die Wangen glühten wieder schön und jung.

Zu heller Loh’ erglomm das blonde Haar.

 

Die Stunde war so reich und feierlich,

So frei, so eins war unsrer Seelen Schwung,

...

Smyrna

 

I. - Smyrna ist die Stadt der schönen Frauen

 

Schon längst sind hier verrauscht Homers Gesänge

Und dürftig fließt die ihm geweihte Quelle.

O Himmel! Meer! so schön, wie einst, so helle!

O daß auch noch Alt-Hellas’ Sprache klänge!...

 

„Erst flieh’ der Frankenstraße laut Gedränge,

Dann zög’re an der Häuser kühler Schwelle;

Die Sonne sinkt, es buhlt mit ihr die Welle,

Es schwebt ein Zephyr durch der Lauben Enge:

 

Das ist der Frauen süße Plauderstunde.

Ihr Blick, er kommt wie Amors Pfeil geflogen

Von schmaler Brauen ebenschwarzem Bogen.

 

Es überkommt dich wundersame Kunde

Und Helena ist hundertmal zu schauen –

Denn Smyrna ist die Stadt der schönen Frauen.“

 

 

II. - Die Karawanenbrücke

 

So kehrten einst von Bagdad die Kamele,

Ein langer, stiller Zug mit reichen Waren!

Der Führer sann, wie er daheim erzähle,

Was Neues er geschaut und was erfahren. –

 

Von Thälern, denen Nichts zum Eden fehle,

Von Städten dort, wo jüngst noch Zelte waren,

Von Gärten und Palästen, wunderbaren,

Erzählt er, süß berauschend jede Seele.

 

Er würzt die Nacht in bilderreicher Rede

Mit Märchen, schönen Lippen abgelauscht,

Mit Sprüchen, in den Schulen eingetauscht.

 

Bereichert ging der Karawanen jede;

Doch weiter drang, als je Kamele kamen

Verherrlicht Harun des Gerechten Namen.

 

 

 

Smyrna

 

I.

 

...

Und dürftig fließt, nach ihm genannt, die Quelle.

O Meer, O Himmel, ewig schön und helle,

O daß hier noch Alt-Hellas’ Sprache klänge!

 

...

...

...

Zephyre schweben durch der Lauben Enge.

 

...

...

...

 

Dich überkomt’s wie wundersame Kunde

Und hundertmal ist Helena zu schauen,

...

 

 

II. – Auf der Karawanenbrücke

 

...

...

Der Führer sann, welch blumig Wort er wähle

Für das, was Neues er geschaut, erfahren.

 

...

...

Von des Khalifen Haus und Höflingsschaaren

...

 

...

...

...

 

...

...

...

Rhodus

 

I. – Die Palme

 

In rechter Hand die helle Schifferleuchte,

So stand der Erzcoloß als Hafentor,

Daß unter ihm sich jeder Mast verlor,

Der fernher Wolken gar zu streifen deuchte.

 

ihm netzte nicht die Hüften Staub, der feuchte,

Warf sich die Brandung zorngemut empor. –

Kaum fand das Felsenpiedestal sich vor,

Als unser Dampfer ankernd hier verkeuchte!

 

Noch sann ich nach dem ernsten Zeitenspiel,

Denn auch die stolze Kreuzesflagge fiel

Vom Thurm, auf dem sich jetzt der Halbmond wiegt:

 

Da grüßet mich, verscheuchend meinen Gram,

Die erste Palme, deren schräger Stamm

Sich an die alte Hafenmauer schmiegt.

 

 

II. – La strada de’ cavalieri

 

Sag an, wo sind, die dir den Namen gaben?

Noch künden selbst vergeßne Wappenschilder,

Steindiademe, Stern- und Löwenbilder

Geschlechter, längst verschollen, längst begraben.

 

Den Gang entlang kein muthig Pferdetraben!

Kein Troß und Waffenlärm, kein kampfeswilder!

Und auch kein Hospital, mit christlich milder

Geschäftigkeit die Blutenden zu laben!

 

Die ganze Gasse – wie ruinenschaurig!

Verödet ist der Saal und stumm und traurig,

Drin Ritter einst beim Siegesmahl gesessen.

 

Erker, noch immer nicht zu Fall gebrachte!

Gewiß, ihr habt nicht gänzlich schon vergessen

Des Helden, der Soleiman zittern machte.

 

 

III. – Das Meer

 

Ein halber Thurm! Wie früh, wie spät es sei,

Das künden dir am Zifferblatte keine

Belebten Zeiger. Wildgehäufte Steine

Und Schutt ringsum, und Säulen, längst entzwei!

 

Zuweilen schleicht vermummt ein Weib vorbei,

Zuweilen streckt ein Hund von sich die Beine,

Und wärmt ein Esel sich am Sonnenscheine,

Zuweilen dringt aus Knabenmund ein Schrei. –

 

Das Meer behielt den alten Rauschegruß;

Die Wellen nah’n, von größ’ren überholt,

Und netzen deinen allzukühnen Fuß.

 

Und ob das Aug’ an Trümmern sich entsetze,

Stets neue Segel werden aufgerollt,

Und bald erblühen neue Stapelplätze!

 

 

IV. – Vier Bildchen

 

Das mußte mich mit der Cajüt versöhnen! –

Im gastlich off’nen Hafen liegen wir,

Durch der Cajüte Seitenluken vier

Erglänzt die Stadt in hellen Farbentönen;

 

Und Wölklein zieh’n, den Anblick zu verschönen,

ihr letztes Gold verstrahlt die Sonne schier:

Da bieten reizend sich vier Bildchen mir,

Wie solche jedes matten Stiftes höhnen:

 

Das Fort mit seiner Flagge, farbenprächtig –

Und die Moschee mit Thürmen, hoch und schmächtig –

Der Landungsplatz, der volk- und waarenreiche –

Der Mühlen geisterhaft bewegte Speiche! –

 

Wohl wären die ovalen Bildchen hier

Im kahlen Zimmerchen die schönste Zier. -

 

 

Rhodus

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

I. – Die Ritterstraße

 

...

...

...

...

 

...

Kein Troß im Hof, kein Lärm, kein kampfeswilder,

Kein stilles Hospital, bedacht mit milder

Behendigkeit die Blutenden zu laben!

 

...

...

...

 

Doch Erker, einzig nicht zu Fall gebrachte!!

...

Des Häufleins, das den Islam zittern machte.

 

 

II. – Schutt und Leben

 

Ein halber Thurm... ob früh, ob spät es sei,

Verkünden auf dem Zifferblate keine

Belebten Zeiger ... ringsum Schutt und Steine,

Draus manche Säule ragt, doch längst entzwei!

 

...

Im Schatten streckt der Hund von sich die Beine,

Indeß sich Langohr wärmt am Sonnenscheine,

Zuweilen dringt aus Kindermund ein schrei.

 

Doch horch dem Meer, dem alten Rauschegruß!

So hat es schon gelockt und so gegrollt,

Als noch der Gischt genetzt Aubusson’s Fuß.

 

Ob dort das Aug’ an Trümmern sich entsetze,

Hier werden neue Segel aufgerollt,

...

 

Berytus

 

Die Cedern

 

Die Cedern auf dem Libanon, sie trauern,

Den Winden klagen sie ihr tiefes Leid:

„Als Mahner an die alte, goldne Zeit,

Wer hieß uns hier Jahrtausend’ überdauern?

 

In Schutt, gebrochen liegt der Trotz der Mauern,

Die Häfen gähnen, und dem Meer, so weit

Es blaut, erzählt kein Bruderstamm, geweiht

Der Flut, von Libanon’s erhab’nen Schauern.

 

Jehova’s Tempel sank, als dessen Stützen

Wir von den Bergen eilten; die Propheten,

Die Könige ruh’n mit festgeschloß’nem Munde;

 

Ihr Lied und unser Ruhm verklang. – Was nützen

Uns ew’ge Jugendsäfte? Völker treten

Vom Schauplatz, echogleich verhallt die Kunde!“

 

 

Die Cedern auf dem Libanon

 

 

 

...

Den Winden klagen sie das tiefe Leid:

„Als Mahner an die starke, goldne Zeit

...

 

...

Der Hafen gähnt – dem Meer, so weit und breit

Erzählt kein Bruderstamm, als Mast gefeit,

Von uns, von Libanons erhabnen Schauern!

 

Dahin Jehova’s Haus, als dessen Stützen

...

Die Kön’ge ruhn mit längst geschloßnem Munde;

 

und unser Ruhm erstarb mit ihnen – nützen

...

...

Sydon und Tyrus

 

So rauschte wie ein Königsmantel, blau,

Das Meer, - ein goldner Saum der Dünensand –

Als Sydon noch, des Meeres Fürstin, stand

Und Schätze fernster Länder bot zur Schau.

 

Von Tyrus, das den stolzen Mutterbau

Beschämt’ und Alexandern widerstand,

Nun an dem kahlen, wellenförm’gen Strand

Nur wen’ge Hütten melden, ärmlich grau. –

 

Ich stand an einer Palme durrem Schaft

Auf einem Todtenacker, eingehegt

Von längst geborst’nen und zerfall’nen Mauern.

 

Vom Genjus der Geschichte hingerafft

Fühlt sich in ernstes Sinnen, tiefes Trauern,

Wer um den Glanz der Vorzeit ihn befrägt. -

 

 

 

Sydon und Tyrus

 

Noch rauscht das Meer, ein Königsmantel blau –

Ein goldner Saum daran der Dünensand - ,

Wie damals, da die Veste Sydon stand

...

 

Von Tyrus, das der stolzen Mutter Bau

Beschämt’ und Alexandern widerstand,

Am kahl gefegten wellenförmgen Strand

Nur Fischerhütten melden, ärmlich grau.

 

Ich stand auf einem Friedhof, eingehegt

Von Dorngestrüpp und halbzerfallnen Mauern,

Und lehnt’ an einer Palme dürrem Schaft.

 

Wer nach der Vorzeit Glanz und Heimat frägt,

Der fühlt in Sinnens Ernst und großes Trauern

Vom Geiste sich der Menschheit hingerafft.

Die Wüste

 

Die Pyramide

 

I.

 

O Königspyramid’! Im Morgenschein

Bist du ein Erzkolossus im Erglühen;

Geschmolzen Erz, d’raus Lichtesfunken sprühen,

Die Wüste rings, und Erz das Felsgestein!

 

Ein Nebelschleier hüllet Nachts dich ein,

Der rosig leuchtet in den Tagesfrühen

Und jeden Abend purpurn will verblühen;

Er weicht dem S’mum, der Mittagsglut allein.

 

Es dehnt dein Schatten, ist der Mond erwacht,

Sich über starre Fluten Sandes hin,

Als wolltest du dem bleichen Licht entfliehn.

 

Wahrhaftig groß bist du in Mondesnacht,

Und hehr und werth, o Pharaonenmal,

Daß sich verdopple deiner Jahre Zahl.

 

II.

 

Erklettert hab ich deine Stufenwände,

Wie’s Andre freventlich vor mir gewagt;

Dahin sind längst, die ehrfurchtsscheu gezagt

Dem Werk zu nahen ihrer frommen Hände!

 

Ich grüß euch, Palmen, die ihr Datteln tragt,

Dich Nil, verborgner Gottheit Segenspende,

Oasenland, dich reiches Stromgelände,

Dich, Stadt, von hundert Kuppeln überragt!

 

Könnt’ ich den Stift in eu’re Farben senken,

Und wollt’ ein Genius die Hand mir lenken,

Ich schüf’ ein Bild zu Aller Augenweide:

 

Des Niles Eden rechts, und links die Wüste,

Und hingestellt als Markstein zwischen Beide

Der Pyramide riesig Schaugerüste.

 

 

Die Wüste

 

Die Pyramide

 

I.

 

...

Ein erzener Kolossus im Erglühen!

...

Ist rings der Sand und Erz der Felsenrain.

 

In leichte Schleier hüllt der Nil dich ein,

Die rosig dämmern in den Tagesfrühen

Und purpurn mit dem Abendroth verblühen;

Die Mittagssonne schaut dein nackt Gestein.

 

Dein Schatten dehnt sich, ist der Mond entfacht,

Weit über starre Fluten Sandes hin,

...

 

Bist wahrhaft groß in solcher Vollmondsnacht

...

...

 

II.

 

...

...

Denn Staub sind längst, die frommen Sinns gezagt

Dem größten Werk zu nahn der eignen Hände.

 

Ich grüß euch, Palmen, so ihr Datteln tragt,

...

...

...

 

...

...

Ich schüf ein Bild zu schönster Augenweide:

 

...

...

...

Die Sphinx

 

I.

 

Am Nile lebt’ – es sind viel tausend Jahre –

Ein Mädchen schön, mit kunstgewob’nen Flechten,

Mit Augen, Sternen gleich in dunklen Nächten,

Mit stumpfem Näschen, süßem Lippenpaare.

 

Und Alles hielt gebannt die Wunderbare.

Doch sie zerriß mit Künsten, grausam schlechten,

Jed’ Herz, in Lieb entbrannt, in Zucht und Rechten,

Und warf es hin wie Tand, wie leichte Waare.

 

Sie ward zu Stein dafür; ein riesig Bild

Ist sie, bewehrt mit grausen Löwenklauen,

Am glühend heißen Wüstensaum zu schauen.

 

Jahrtausendlang nun schon der Zauber hielt! –

O Mädchen, nimm dies Schicksal dir zu Herzen;

Mit treuer Lieb’ ist niemals gut zu scherzen.

 

 

II.

 

Sahara’s Kind und Königin zugleich!

Du hast die Wüsten unruhvoll durchzogen;

Der königliche Leu war dir gewogen,

Dein Pfühl war die Oase, kühl und weich.

 

Doch hehre Lust befiel die Liebe gleich

Dein Herz, zu schauen, wo am Himmelsbogen

Empor der Sonne frühste Strahlen flogen,

Zu schau’n der Sonne lichtes Freudenreich.

 

Die Sehnsucht trieb dich an den Wüstensaum;

Hier sahst du Menschen, Menschen-Thun und –Sitte,

Des Landes Pracht, den Nil in seiner Mitte –

 

Das war der Sonne Reich! das war dein Traum!

Dein Herz, wie konnt’ es solch’ Entzücken tragen?

Wie sollt’ es länger noch in Sehnsucht schlagen? -

 

 

III.

 

Du trägst ein frohes, lichtes Menschenhaupt,

Des Segens Fülle bergen deine Brüste;

Doch ach, du bist zur Hälft’ ein Tier der Wüste,

Dein Rücken ist vom Wüstensand bestaubt!

 

O Königsmaid! Ja, wer die Lösung wüßte!

Du starr’test wohl nicht länger sprachberaubt,

Ein Eden sproß’te wieder, kühlbelaubt,

Und du erwachtest, Schöne, Süßbegrüßte!

 

Doch, steinern Räthselbild, der Zauber hält!

Ich steh’, ein Zwerg, vor dir in tiefstem Sinnen,

Die rechte Deutung such’ ich zu gewinnen: -

 

Cultur, du Leuchte, die den Geist erhellt,

Die du den Sohn der Wildnis reich gemacht,

Du hast um Freiheit ihn und Kraft gebracht! -

 

 

 

Die Sphinx

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

I.

 

...

...

...

...

 

Doch hehre Lust befiel, der Liebe gleich,

Dein Herz, zu schaun, wo früh am Himmelsbogen

Empor der Sonne goldne Strahlen flogen,

...

 

Die Sehnsucht trieb dich an der Wüste Saum,

Hier sahst du Menschen, Menschenthum und Sitte,

...

 

Das war der Sonne Reich, dein schöner Traum!

...

...

 

 

II.

 

...

...

Und bist zur Hälfte doch ein Tier der Wüste,

Dein Rücken ist vom rothen Sand bestaubt.

 

Ja, Kind der Wildniß, wer die Lösung wüste!

Du starrtest dann nicht länger sprachberaubt,

...

Du regtest dich, erwachtest, Süßbegrüßte!

 

O Räthselbild, für ewig hingestellt,

Ich steh, ein Zwerg, vor dir in ernstem sinnen,

Läßt eine Deutung sich dir abgewinnen?

 

...

Sie, die den Sohn der Wildniß reich gemacht,

Sie hat um Freiheit ihn und Kraft gebracht.

Eine Karawane im Vorüberzieh’n

 

Der Führer saß auf hohem Dromedar,

Auf bunter Decke, gold- und quastenreich;

Der Turban roth, des Kleides Streifen gleich

Und seidenblau der faltige Talar.

 

Zum Gürtel floß des Bartes Silberhaar,

Das Antlitz ruhig, ernst und mild zugleich; -

Dem schweigenden Begängniß einer Leich’

An Ruhe glich der Wüstenwand’rer Schaar.

 

Es spickten wohl den Gurt Pistolen, Dolche,

Doch drohte mehr der Männer Blick, als solche.

 

Wir mochten fremd der Karawan erscheinen;

Ich suchte mir ihr Bildnis festzuhalten,

Mir war beim Anblick jenes edlen Alten,

Als schaut’ ich noch der Patriarchen Einen.

 

 

 

Vorüberziehende Karawane

 

...

Auf rother Decke, gold und quastenreich,

Das Antlitz mächtig, ernst und mild zugleich,

Zum Gürtel floß  des Bartes Silberhaar.

 

Vorüber zog der Wüstensöhne Schaar

Auf braunem Sande buntem Streifen gleich,

So feierlich der Trab, so leis und weich,

Als ob sie folgten einer Todtenbahr.

 

Wohl spickten ihren gurt Pistolen, Dolche,

...

Wie mußten fremd den Fremden wir erscheinen!

 

...

Mir war beim Antlitz jenes schönen Alten,

...

Geier

 

Die Sonne, blendend hell zurückgestrahlt,

Verrieth und der Kamele schneller Traben,

Daß Wasser nah; wir lechzten, uns zu laben –

Ein fauler Sumpf benahm den Wahn uns bald.

 

Zwölf Geier, an Gefieder mannigfalt,

Mit nackten Hälsen, die Cystern’ umgaben

Und schlürften aus dem schlammgefüllten Graben,

Mißgönnend unsren Tieren Tränk und Halt.

 

Sie schwärmen lautlos, wie’s der Wüste eigen,

Um unsre Häupter, und es wirkt beklemmend

Ihr ernstes Kreisen und den Athem hemmend. –

 

Es führt in träger Luft die Geierschaar,

Vom Aeserfraße satt, den Todesreigen,

Der grauenvoller als die Wüste war.

 

 

Geier

 

...

Verriet uns Wassers Nähe: schneller traben

Die Gäule, wir auch lechzten uns zu laben –

...

 

...

...

...

...

 

...

...

Dies dumpfe Kreisen, und den Athem hemmend.

 

Von Aesern sat vollzog die Geierschaar

In stummen Lüsten einen Todesreigen,

...

Mondnacht

 

 

Zu fahlem Schimmer wird das heit’re Licht

Des Mondes, über Wüstensand ergossen.

Es wagt der Fuß vom Lager der Genossen

In’s große Schweigen wen’ge Schritte nicht;

 

Dich schreckt dein Athem, der es unterbricht.

Das Dromedar, es kehrt zurück, verdrossen,

Weil rings umher ihm kein Gestrüpp ersprossen,

Und drängt verstört sich an die Zelte dicht.

 

Ein ries’ger Todtenacker ist die Wüste,

Und Pyramiden formen Wind und Sand;

Bedeckt, entblößt liegt bleichendes Gerippe:

 

O Schauder! Wenn ich hier verderben müßte!...

Im Zelte kreis’te hell von Lipp’ zu Lippe

Der Cyperwein, und jedes Schreckbild schwand.

 

 

Eine Mondnacht

 

Zu fahlem Dämmer bleicht das heitre Licht

...

Kein Schatten kommt in’s Schimmergraun geflossen,

In’s große schweigen nur dein Athem bricht.

 

Dein Fuß, er wagt vom Lager der Genossen

Ins Oede, Leere wen’ge Schritte nicht,

Und wie dein Adlerblick zu Boden kriecht,

Dem doch Unendlichkeit sich rings erschlossen!

 

Ein weiter Totenacker ist die Wüste –

Wie lange harrt das nackende Gerippe,

Daß ihm den Hügel schichte Wind und sand?

 

...

...

...

Der Kakusin

 

Dem Goldstaub’ glich der Wüste feiner Sand,

Die Sonne streifte scheidend d’rüber hin;

Doch keinen Ruhepunkt das Auge fand –

Ein endlos Einerlei, das tödtend schien!

 

Da plötzlich nordwärts ohne Widerstand

Mit heißen Schwingen stürmte Kakusin;

Ein Leben, kühn, gestaltungsreich, entwand

Der starren, todten Wüste sich durch ihn.

 

Das Körnlein Staub rückt nachbarlich zu andern,

Sie eilen arabeskenartig fort;

Ja, mehr noch! Ganze Hügel Sandes wandern,

Sie wachsen, hier zerstäubt, zum Berge dort.

 

Doch was er heut’ gethürmt und aufgerichtet,

Das hat der Stürmer morgen schon vernichtet.

 

 

Der Kakusin

 

Wie Goldstaub war der Wüste feiner Sand,

...

...

...

 

...

Mit heißen Schwingen raste Kakusin,

Ein Leben, kühn, gestaltenreih, entwand

Der regungslosen Wüste sich durch ihn.

 

Ein Körnlein rückt erst nachbarlich zum andern,

Dann eilen in Mäandern tausend fort,

Und mehr noch, mehr, Lawinen Sandes wandern!

 

Doch was er heut entführt und aufgeschichtet,

Die Wellenhügel hier, die Berge dort,

...

Die Beduinen

 

I.

 

Wie Sturmesmöwen über Meere fliegen,

Durchjagt der weiße Burnus braune Strecken, -

Der Wüste Poesie, ihr großer Schrecken

Gleich jenen Zelten, die im Thale liegen.

 

Noch weiden Rinder auf der Trift und Ziegen;

Du wirst sie morgen kaum mehr hier entdecken.

Geplündert melden jene Dörfer, Flecken

Vom Zug der Wüstenmänner, ihren Siegen.

 

Sich zinsbar halten sie die ganze Welt,

Mit ihrem Lager zieht vom Saatenfeld

Das zarte Grün, die Frucht, der Erntesegen.

 

Doch heilig wird der Handschlag noch geachtet,

Und wenn der Wand’rer einsam schier verschmachtet,

Sie laben ihn auf ihren schnellen Wegen.

 

 

 

 

 

Beduinen

 

...

...

Der Wüste Poesie, der Wüste Schrecken –

Im Wady seine dunklen Zelte liegen.

 

...

Der Morgen wird sie kaum mehr hier entdecken,

...

...

 

...

...

Das zarte Grün, der Ernte reifer Segen.

 

...

...

...

II.

 

Ein reiches Dromedar wird vorgeführt,

Gefeit mit Talisman und Amuletten;

Die Jungfrau ist’s, die sich das Thier erkürt,

Des Stammes Schönste will darauf sich betten.

 

Sechs Männer sind der Jungfrau Hort und Hürd’,

Bereit, sie aus der Feinde Schaar zu retten,

Das Leben gar an ihr Geschick zu ketten

In Huld, wie’s einer Königin gebührt.

 

Die Stammgewählte sitzt im Rath der Männer,

Zu Boten wählet sie die schnellsten Renner

Und ihrem Worte lauschet jedes Ohr.

 

Der schmählich seine Königin verlor,

Geächtet ist der Stamm, verfehmt, verbannt;

Sein Name wird fortan nicht mehr genannt.

 

 

 

Eine Wüstenkönigin

 

...

Mit Talisman gefeit und Amuletten,

Des Stammes schönste will darauf sich betten,

Wie stolz das Thier die stolze Last verspürt!

 

Sechs Männer sie zu Schutz und Diensten kürt,

Bereit, sie durch der Feinde Schwarm zu retten

Und Gut und Blut an ihren Wink zu ketten,

Sie wissen, was der Königin gebührt.

 

Die Heldenjungfrau sitzt im Rath der Männer,

Zu Boten ordnet sie die schnellsten Renner

Und ihrem Worte horcht der weisen Ohr.

 

...

Geächtet ist der stamm, verfehmt, gebannt,

...

Sieg über Amalek

                II. Mos. 17.

 

In Raphidim kam Amalek zu streiten

Mit Israel. Und Moses stieg bergan

Mit Hur und Aaron, hob zu beten an

Und seine Hände betend auszubreiten.

 

Und wie er flehend sie erhob, begann

Der Feind verwirrt zu fliehn nach allen Seiten;

Doch wie die Arme müde niedergleiten,

Hat Amalek die Übermacht fortan.

 

Da rücken Hur und Aaron einen Stein

Herbei und stützen knieend Mosis Hände

Und lehnen Gottes Stab in seine Rechte.

 

Und Moses wird nicht laß an Arm und Bein;

Er betet sitzend, bis der Tag zu Ende.

Bis Israel obsieget im Gefechte. -

 

 

Moses I.

 

 

Nach Raphidim kam Amalek zu streiten

Mit Gottes Volke; Moses stieg bergan

...

Und Hand und Arme flehend auszubreiten.

 

Nach Hülfe langt’ er aus und schon begann

...

Doch als die Arme lässig niedergleiten,

Erwächst den Feinden Übermacht fortan.

 

...

Zur Stell’ und stützen knieend Mosis Hände

...

 

Und Moses ward nicht müd an Arm und Bein,

...

Bis Israel Obsieger im Gefechte.

Das Götzenkalb

                II. Mos. 22.

 

Und Moses stieg vom Berg der Donner nieder,

Auf dem er vierzig Tage lang verblieben;

Er trug die Tafeln des Gesetzes nieder,

Das Gottes Finger selbst in Stein geschrieben.

 

Er horcht; es rauscht bergan wie Siegeslieder.

Wird Israel geschlagen und vertrieben?

Und welches Feindes Jubel hallet wider

Vom Hängen, die ihn hundertfach zerklieben?

 

Und näher schreitet Moses dem Gejohle.

Jehova’s Volk, es tanzt und jauchzet laut,

Sein Reigen gilt dem goldenen Idole.

 

Und des Propheten Herz ergrimmt deshalb,

Und er zerschmeißt die Tafeln, und es graut

Dem Volk, und er zermalmt das Götzenkalb.

 

 

Moses II.

 

 

Und Moses stieg vom Berg der Donner wieder

...

...

...

 

...

...

Und welchen Feindes Jubel hallen wider

Die Hänge, die sich hundertfach zerklieben?

 

...

...

...

 

Und siehe, der Prophet ergrimmt deshalb,

Zerschmeißt die Tafeln, daß dem Volke graut,

Zornwettert und zermalmt das Götzenkalb.

 

Die Wolke

                II. Mos. 40.

 

Hochaufgerichtet steht Jehova’s Zelt,

Mit güldenen Geräthen ausgestattet, -

Da senkt sich eine Wolke, krönt, beschattet

Den Tempel, den Gott selber sich bestellt.

 

Vom Morgen bis der Sonnenball ermattet,

Ist silbern sie und wunderbar erhellt;

Zur Flammensäule wird sie angeschwellt,

Sobald der Tag im Wüstensand bestattet.

 

Und hebt sie sich, dann greift zum Wanderstab

Ganz Israel, und läßt sie sich herab.

So schlägt es Lager, wo sie leuchtend weilt.

 

So führt Jehova’s Hauch ein Volk, das Er

Erwählt, geborgen vor Egyptens Heer,

Dem er das Meer getrocknet und getheilt.

 

 

 

 

Elias

                III. Kön. 19.

 

„Ich eiferte für Dich mit Kraft und Mut;

Mit Grimm bewaffnet hast Du meine Rechte,

Durch sie geschlachtet all’ die Götzenknechte,

Daß noch der Kischon dampft von ihrem Blut!

 

Doch ob ich täglich Dir auch Opfer brächte,

Und Du sie zündetest mit Himmelsglut:

Kein Zeichen frommt dem störrigen Geschlechte,

Es stößt von sich den Bund und Deine Huth.

 

O steh’! auf Höhen räuchern sie und beten

Zu todten Götzen, Herr! und die Propheten

Erwürgte und die Mahner ihre Hand.

 

Auch mich verfolgt der Tod und das Verderben;

Die Füße wund, mein Lager Wüstensand,

Die Kraft dahin: - - Jehova laß mich sterben!“

 

 

 

Elias

 

 

...

...

Hast hingerafft durch sie die Götzenknechte,

...

 

...

...

...

Es stößt von sich das Bündnis deiner Hut.

 

Sieh hin, sie räuchern auf den Höhn und beten

...

Die du gesandt hast, würgt die Frevlerhand.

 

Mich sucht der Tod, umlauert das Verderben,

Mein Fuß ist wund, mein Lager Wüstensand,

...

Der Berg der Versuchung

                Matth. 4.

 

Es hebt sich aus der Wüste schaurig, kahl

Ein Berg, abfallend jäh nach allen Seiten;

Sein Schatten reckt und streckt sich in die Weiten,

Unheimlich webt um ihn des Mondes Strahl.

 

Der Kegel mahnt daran, ein düster Mahl,

Wie Jesus Christus ging sich vorbereiten

Zum Welterlösungswerk für alle Zeiten

Durch Beten, jeglicher Entbehrung Qual;

 

Und wie an ihn sich der Versucher wagt,

Ihn frevelnd faßt und auf den Gipfel stellt

Und spricht, dieweil es eben herrlich tagt:

 

„Die Macht ist dein, der Zauber dieser Welt,

So weit sie je des Menschen Fuß betreten,

Wenn du die Kniee beug’st, mich – anzubeten.“

 

 

 

 

 

Unter dem Halbmond

 

Der Muezzin

 

Vom Minareth zu drei verschied’nen Malen

Erschallt der ernste Mahnruf zum Gebet’:

Wenn’s rosig angehaucht vom Morgen steht,

Und golden sich die grauen Wogen malen;

 

Wenn Mittags weiße Bronnen Kühlung strahlen,

Zum Kief* die Sclavin mit dem Fächer weht;

Wenn scheidend noch der Tag durch’s Gitter späht

Nach Frauen, schleierlos, mit Goldsandalen.

 

Es tritt, auf hoher Warte sich zu zeigen,

Schneeweiß der Rufer aus der schmalen Pforte;

Vier Winden überläßt er seine Worte.

 

Doch träge schwillt der heil’ge Ruf an’s Ohr,

Von dem sich manche Sylbe ganz verlor –

Denn alles Leben hier ist Traum und Schweigen.

 

    *=Siesta

 

 

 

 

Der Muezzin

 

Vom Minaret der Moslem-Kathedralen

...

...

...

 

...

Und mit dem Fächer die Khaduna weht,

...

...

 

Schneeweiß, auf hoher Warte sich zu zeigen,

Erscheint der Rufer aus der dunklen Pforte

Und überläßt den Winden seine Worte.

 

Doch träge schwillt der heilge Spruch an’s Ohr,

Undbald ist Alles ruhig wie zuvor,

...

Auf dem Bazar

 

Den krummen Säbel schwangen die Kalifen,

Den Kopf vom Rumpfe schnitt der Yatagan,

Im Handgemenge stieß der Muselmann

Den grimmen Handschar in der Weiche Tiefen.

 

Die Heldengeister, die zu Schlachten riefen,

Entschliefen in den Klingen; dann und wann

Nur klingt in ihnen Nachts die Sehnsucht an,

Wie einst von rothem Feindesblut’ zu triefen.

 

Nun strotzt der Griff von lichten Edelsteinen,

Von rothem, weichem Sammet sind die Scheiden,

Und kraftlos sind des Stahles Koransprüche.

 

Vertauscht um Spielzeug all’ die Waffen scheinen;

Schön mag ihr Glanz den Turbanträger kleiden,

Längst ging jedoch des Islam Kraft in Brüche.

 

 

Auf dem Bazar

 

...

...

...

...

 

Vorbei! Die Geister, die zu schlachten riefen,

Verstummten in den Klingen; dann und wann

...

...

 

Wohl strotzt der Griff von lichten Edelsteinen,

...

Doch kraftlos sind des Stahles Koransprüche.

 

In Tand verwandelt Wehr und Waffen scheinen,

...

...

 

An die Thaler der Levanthe

 

Ich möchte mir ein Riesenschiff erbauen,

Das windesschnell und Stand den Stürmen hielt’;

Es müßt’ ein Tausendguldennoten-Bild

Auf roth- und weißer Flagge sein zu schauen.

 

Könnt’ ich auf Gnomenhülf’ und Zauber trauen,

Ich träte vor mit blankem Silberschild’

Und riefe silberhell, verlockend mild:

„O kommt auf’s Schiff, zu grünen Heimatauen:

 

Vom Hals des Beduinenweibs, aus Schränken

Und Säcken, von der Wechsler offnen Bänken,

Vom Kopfe gar der Nazarenerin!

 

Wie lang wird euer Klang daheim entbehrt!

Daheim nur kennt man eu’ren ganzen Werth

Und kennt das Bild der großen Kaiserin“.

 

 

 

Unter den Cypressen

 

Cypressen, schlanke, dunkle Pyramiden!

Am lichtverklärten, meerumsäumten Bilde

Die einz’gen Schattenstriche! Thauet milde

Auf’s Haupt mir Schattenkühle, Sammlung, Frieden.

 

Zu viel des Zaubers ist dem Aug’ beschieden!

Wie glänzt das Meer! Wie lachen die Gefilde!

Cypressen, unter eu’rem grünen Schilde

Noch glüht die Stirn’ und alle Pulse sieden.

 

O laßt mich ruh’n in eu’rem Heiligthume!

Und hab’ ich mir ein Grab* zum Sitz erwählt,

Mein Sinnen stört die Grabesruhe nicht; -

 

Nicht jenes Weib, die weiße Haremsblume,

Die fest den Marmorstein umschlungen hält

Und durch den Schleier das Fatiha spricht.

 

    *Die türkischen Friedhöfe sind häufig Cypressenhaine

 

 

Unter den Cypressen

 

...

Auf lichtgetränktem, blaubesäumtem Bilde

Beherzte Schattenstriche! thauet milde

...

 

Zu viel des Zaubers ist dem Blick beschieden,

...

...

...

 

O gönnt mir Rast in eurem Heiligthume,

...

...

 

Auch nicht das Weib, die weiße Haremsblume,

Das dort den Marmorstein umschlungen hält

...

Moschee

 

Am Brunnen mußt’ ich meine Schuhe lassen,

Auf Socken trat ich in das Heiligthum;

Die Kuppelhalle, leer und öd’ und stumm,

Es drängte mich, sie baldigst zu verlassen.

 

Kein Opferherd! Kein Bild! Nur ringsherum

Verkünden von der Wand, von farbenblassen

Tapeten Koransprüche, schwer zu fassen,

Allah’s und des Propheten Wort und Ruhm.

 

Doch sieh’! Ein Greis mit heiliger Geberde,

Er beugt und hebt sich, wirft sich auf die Erde,

Von meinem Kommen unbeirrt und Schauen. –

 

Und mehr als Bilder oft und Glockenschall,

Als Rauch, Musik und als die Lichter all’

Vermochte hier der Greis mich zu erbauen.

 

 

In der Moschee

 

...

...

...

...

 

Kein Opferherd! Kein Bildniß ringsherum!

Nur Koransprüche, bunt noch im Verblassen,

Mäanderhaft verschlungen, schwer zu fassen,

Verkünden des Propheten Wort und Ruhm.

 

...

Verbeugt und hebt sich, wirft sich auf die erde,

...

 

Und mehr als Bilderkram und Glockenschall,

...

Vermochte dieser Greis mich zu erbauen.

Ein Selam

 

O sieh’ an meiner Brust die Rose prangen,

So roth, wie keine noch gebrochen worden!

Du bist des Herzens Sultanin geworden,

Ein Sclav’, erwartet es sein Loos mit Bangen.

 

Kein Widerschein auf deinen zarten Wangen?

Narcissen sieh’, den andern Blumenorden!

Umschließt dein junges Herz noch eis’ger Norden,

Sie duften Glut nur, heimliches Verlangen.

 

Am Schleier rück’ und traue den Cyanen:

Es weicht nur dir des Herzens goldne Pforte,

Mein Mund verschwendet Küsse, sparet Worte.

 

Kein Pfand? – Vernimm des Epheuzweiges Mahnen:

Wenn einst dein Herz erglüht und suchet meines –

Es ruht im Schatten des Cypressenhaines.

 

 

Ein Selam

 

...

...

...

...

 

...

...

...

Sie künden: Glut und heimliches Verlangen.

 

...

...

Ein Kußverschwender, geiz ich mit dem Worte.

 

Kein Pfand! Vernimm des Epheuzweiges Mahnen:

Erglüht dereinst dein Herz und sucht es meines –

...

Im Garten wandeln weiße Sultansfrauen

 

Im Garten wandeln weiße Sultansfrauen;

 wohl atmen Plätscherbrunnen Abendkühle,

 doch Flüsterbüsche hauchen Weihrauchschwüle,

 und aus dem Düster warme Augen schauen.

 

 Wie magst du, Padischah, dem Zwinger trauen?

 Dort lugt der Mond herab vom Wolkenpfühle

 und zieht heran die zärtlichsten Gefühle;

 dem Zephyr weicht der Schleier gar, dem schlauen.

 

 Es bebt der Myrten reine, weiße Blüte;

 es quillt ein tiefes Weh aus Bülbüls Sang.

 Wie wird euch, schöne Frauen, zu Gemüte?

 

 Schwand alle Sehnsucht nach der Heimat hin,

 wo frei und heilig ist der Liebe Drang?

 O Griechenmädchen! O Circassierin!

 

 

 

Im Garten wandeln weiße Sultansfrauen

 

...

...

...

...

 

...

...

und zieht hinan die zartesten Gefühle,

...

 

...

Es quillt ein tiefes Weh aus Bülbüls Sang,

...

 

...

...

...

 

 

Der Moslem ruht im kühlen Prunkgelasse

 

Der Moslem ruht im kühlen Prunkgelasse,

Das Indiens Wohlgerüche süß durchwallen;

Es läßt die Hand die Sandelperlen fallen –

Zuleika naht mit heller Moccatasse.

 

Und Leila reicht, die schlanke lilienblasse,

Den Tschibuk, goldgeschmückt und mit Korallen;

Häidie tanzt mit Peri’s Reizen allen,

Und feurig singt das Mädchen vom Parnasse:

 

O sinnt den Mädchen nach voll Ambraduft,

In tausend Einer Nacht erzählt, ersonnen!

Der Schleier wehrt, von Elfenhand gesponnen,

Dem Bild der Wirklichkeit, der Grabesluft.

 

Was farbentrunken malt die Phantasie,

Das schaut ihr hinter Haremsmauern – nie.

 

 

Dichtung und Wahrheit

 

...

Das süße Wohlgerüche leis durchwallen;

Die Sandelperlen sind der Hand entfallen

Denn Leila naht mit heller Mokkatasse.

 

Den Tschibuk reicht die schlanke, lilienblasse

Zuleika dar, im Schmucke von Korallen,

...

...

 

Das Buch, für tausend Eine Nacht ersonnen,

Das Zaubernetz, von Elfenhand gesponnen,

Wen hätt’ es nicht bestrickt, wen nicht berauscht.

 

Doch welcher Franke ließ sich’s dreist gelüsten,

Darf ungestraft und unenttäuscht sich brüsten,

Das er des Harems Innerstes belauscht?

Auftrag an das Wandervöglein

 

O Vöglein, Bürger beider Hemisphären!

Dir prangt der Frühling hier, der Frühling dort,

Und hier und dort ein Nestlein ist dein Port,

Das Meer, so du durchsegelst, ist ätheren.

 

Schon sind hier eingeheimst die goldnen Aehren,

Versiegt der Bronnen, Busch und Baum verdorrt;

Es zieht dich nach dem grünen Norden fort,

Wo Blatt und Duft und Blüte wiederkehren.

 

Viel Glück! – Und sag’ der Liebsten meiner Lieben

Und richt’ es aus nach seiner Boten Brauche:

Daß ich im Herzen bin mir gleich geblieben;

 

Doch daß an Lipp’ und Kinn der Bart mir sproß,

Daß ich den Turban trage, Tschibuks rauche

Und daß ich reit’ ein klug arabisch Roß.

 

 

 

Mein Bote

 

...

...

...

...

 

...

...

Dann mahnts dich nach dem grünen Norden fort,

...

 

...

...

...

 

...

...

...

Mittagsrast

 

Uns bot ein Feigenbaum sein Schattendach;

Wir hielten Mahl und Mittagsrast darunter,

Denn eine Quelle rauschte kühl und munter

Und krümmte glänzend sich zu Tal gemach.

 

Wir lockten alle Männer nach und nach

Vom Pfluggespann zu uns; ein Hemd hinunter

Bis an das Knie, ein Gurt, ein Fez mit bunter

Umwindung dem, was Kleidung heißt, entsprach.

 

Aus ihren Mienen lachte Neubegier;

Als Kenner griffen sie nach uns’ren Waffen

Und machten viel mit ihnen sich zu schaffen.

 

Für Wunder hielten sie die Uhren schier;

Und gar das Picken! – Aus dem Reisesack

Verteilten Pulver wir und Rauchtabak.

 

 

 

Eine Mittagsrast

 

...

...

...

...

 

Wir lockten viele Männer nach und nach

...

...

Stirnbinde dem, was Kleidung heißt, entsprach.

 

...

...

...

 

...

Und gar das Ticken! – Aus dem Reisesack

...

Einkehr

 

Auf nassen Betten unter nassen Zelten

Durchfiebert hatten wir die dritte Nacht;

Auf trock’ne Herberg waren wir bedacht

Am vierten Tag für reichliches Entgelten.

 

Ein Scheikh nahm uns zu Gast und bald erhellten

Die dunkle Wohnung Flammen; Reisig bracht’

Uns selbst der Wirth und nahm die Gluth in Acht,

Und braune Männer sich zu uns gesellten.

 

Der Hausrath all’ war uns gestellt zur Hand,

Geflöcht’ne Körbe, Krüge, dürre Frucht,

Uns gut zu pflegen blieb nichts unversucht.

 

Und als der Scheikh uns ruhbedürftig fand,

Drückt er uns männlich noch die Hände, geht

Und nimmt mit sich die Matte zum Gebet.

 

 

 

 

Gruß an die Heimat

 

Von Wolken ist bedeckt der Himmelsplan,

Nur gleich Oasen blaue Felder prangen,

Von Wolkensäumen silberhell umfangen;

Aus Norden stürmt die mächt’ge Windsbraut an: -

 

Sieh’, Funken flieh’n, und wieder andre nahn...

Wie rasch durch’s tiefe Ätherblau sie drangen!

Was ist in Himmelssphären vorgegangen?

bricht sich ein goldner Regen nordwärts Bahn?

 

Nicht Schnuppen sind’s, die also zahlreich fallen,

Denn siehe, ganze Sternenbilder wallen

Dem Norden zu, der fernen Heimat zu.

 

Wie schnell ihr wandert, sonnenferne Lichter!

O grüße vom noch ungenannten Dichter

Die Heimat hellster aller Sterne, du!

 

 

 

 

Blätter aus dem Buche der Suren

 

El-Fatiha

                Koran, 1. Sure

 

„In des Allgüt’gen, Allerbarmers Namen!

Gelobt sei Gott, der Herr der Ewigkeiten.

Der herrscht und richten wird am Schluß der Zeiten.

Deß Huld für alles Leben Keim und Samen.

 

Das All umfängt Dein Arm, ein starker Rahmen.

Wir beten Dich in Demut an und breiten

Um Rettung aus nach Deines Himmels Weiten

Die Hände, die zu bitten nie erlahmen.

 

O führ’ uns auf den rechten Weg, den Weg

Des Heils, auf dem Du gnädig Dich erwiesen,

Und bann’ uns von der Irrenden Geheg’,

Das fernab liegt von Deinen Paradiesen;

 

Von Denen, die noch an das Licht nicht kamen,

Und über die Dein Zorn entbrannt ist. – Amen.“

 

 

 

 

 

El Fatiha

 

...

Gelobt sei Gott, du Herr der Ewigkeiten,

...

...

 

Dein Arm umfängt das All, ein starker Rahmen;

In Demut beten wir dich an und breiten

...

Die Hände, die zu bitten nicht erlahmen.

 

O Lenker, lehr den rechten Weg uns wallen,

Den Weg, auf dem du gnädig dich erwiesen

Und der uns führt zu deinen Paradiesen,

 

Auf daß wir nicht mit Jenen irrend fallen,

Die tappend noch nicht zur Erkenntniß kamen

...

 

 

Gott ist das Licht

                Sure:  Elnur

 

„Es glänzt ein Licht aus hoher Mauerblende,

Das alle Sterne überstrahlt und Sonnen;

Kein Wandel ist ihm vorbestimmt, kein Ende,

Zu leuchten hat kein früher Licht begonnen.

 

Es schützen rings demantcrystall’ne Wände

Vor Stürmen dieses Haus voll Lichterwonnen;

Kein zündend Feuer brachten Menschenhände,

Von selbst hat sich des Lichtes Glanz entsponnen.

 

Der Docht bleibt unversehrt, und nie versiegt

Das Oel, und magst du ost- und westwärts wandern,

Nicht findest du den Baum, dem es entquoll.

 

 

Gott ist das Licht, das alle Nacht besiegt;

Sein Leuchten reicht von einem Stern zum andern,

Und seines Strahls ist Erd’ und Himmel voll“.

 

 

 

Blätter aus dem Buche der Suren - II.

 

 

...

Verdunkelnd Mond und Stern’ und all die sonnen,

...

...

 

...

Vor Stürmen dieses Haus von Lichteswonnen,

...

...

 

Nie, daß der Docht verglimmt, das Oel versiegt!

und ostwärts magst du suchend, westwärts wandern,

Du findest nicht den Bronnen, dem’s entquoll.

 

...

...

...

„Vers des Thrones“

                Sure : El-Bakara

 

« Nur Gott ist Gott ! Er, der das All belebt,

Und dessen Winke sich die Sterne fügen.

Er thront allein, im höchsten Selbstgenügen,

Sein Odem ist’s, vor dem die Erd’ erbebt.

 

Ihn überfällt kein Schlaf, kein Schlummer webt

Ihm Nacht vor’s Angesicht, sein Aug’ zu trügen;

Durch’s Dunkel zuckt sein Blick in Flammenzügen,

Das donnernd zwischen Erd’ und Himmel schwebt.

 

 

in seiner Hand ruht Auf- und Niedergang,

Der Mittagspol, der Pol der Mitternacht,

Was ist und war, liegt vor ihm aufgeschlagen;

 

Er denkt voraus, die Ewigkeit entlang: -

Wer naht dem Strahlenthron, der Herrschermacht?

Darf ungerufen sich zu nähern wagen?“

 

 

 

Blätter aus dem Buche der Suren – I.

 

 

Nur Gott ist Gott, ist, der das All belebt

...

...

...

 

...

Ihm Dunkel vor, sein Angesicht zu trügen,

Sein Auge blitzt hindurch in Flammenzügen,

Wenn’s donnernd zwischen Erd’ und Himmel schwebt.

 

Er wiegt in Händen Auf- und Niedergang,

Den Mittagspol, den Pol der Mitternacht

Und weiß, was ist, was war in frühsten Tagen,

 

und denkt voraus die Ewigkeit entlang –

Wer, ungerufen, darf der Herrschermacht

Zu nahen sich, dem Strahlenthrone, wagen?

Werke und Offenbarungen Gottes

                Sure: Elen´am

 

„Und Gott ist’s, der die Sterne hingestellt,

Auf daß sie euch zu Land und Wasser leiten,

Und Sonn’ und Mond, zu messen d’ran die Zeiten;

Der Nacht und Helle  von einander hält.

 

Er läßt die Wasser rauschen, Regen fällt

Auf sein Geheiß, die Erde grünt, auf weiten

Gefilden wogt das Korn, die Palmen breiten

Sich aus, die Dattel reift in ihrem Zelt.

 

Granaten glüh’n, es trieft Olivensegen

Und in der Traube perlt der süße Saft.

Gar sicher weiß euch Gott und wohl zu hehen

Im Mutterschooß, in wunderbarer Haft.

 

Der erste Mensch, er stammt aus Gottes Händen,

Und wir aus dieses Mannes Kraft der Lenden.“

 

 

 

Die Zufluchtssuren

                Suren: Elfeläk und Ennaß

 

„Ich suche Schutz beim Herrn der Dämmerungen

Vor allem Übel, das mich mag bedräuen:

Wenn Argwohn gegen mich die Lästrer streuen,

Vom Flüstergeist und Menschenfeind gedungen;

 

Wenn Neid in eines Menschen Herz gedrungen,

Sich heimlich meines Ungemachs zu freuen;

Wenn säumig ist der Mond, sich zu erneuen,

Und lang’ die schwarze Nacht ihn hält bezwungen.

 

Ich flieh’ zu ihm, wenn Weiber Flüche sinnen

Und Zauberknoten schürzen, mir zu schaden.

Des Ihm Ergebenen gedenkt in Gnaden

Der Herr und schützt vor Menschen ihn und Dschinnen;

 

Der Herr und Gott, der Niemand Vater nennt,

Dem Niemand gleich, der keinen Sohn erkennt.“

 

 

 

Blätter aus dem Buche der Suren – VI.

 

 

...

...

Wenn Argwohn wider mich die Lästrer streuen,

Vom lügenhaften Flüstergeist gedungen;

 

...

...

...

Weil überlange Nacht ihn hält bezwungen.

 

Er ist mein Hort, wenn Weiber, mir zu schaden

Den Zauberknoten schürzen, Flüche sinnen

Und sich verbinden mit gefallnen Dschinnen.

 

Des Ihm Ergebenen gedenkt in Gnaden

...

...

An die Ungläubigen

                Sure: El-Bakara

 

„Ihr habt ein großes Feuer angefacht,

Die Welt beschaut ihr euch im Flammenlichte;

Doch Gott macht eu’re Zuversicht zunichte,

Er haucht den Schein hinweg und es wird Nacht.

 

Es rollt ob eu’ren Häuptern, dröhnt und kracht,

Der Blitz zerreißt der Wetterwolken Dichte;

Euch mahnt an nahe, kommende Gerichte

Des Donners Ruf, der sich vertausendfacht.

 

Wohl bohrt ihr eu’re Daumen in die Ohren,

Doch schweigt darum der Donner, eitle Thoren?

 

Wenn Dunkel euch umfängt nach Blitzeshelle,

Was zagt der kühne Fuß, der sonst so schnelle? –

 

Gehör und Augenlicht, das raubt euch Gott;

Denn wiss’t: allmächtig ist sein Kraftgebot!“

 

 

 

 

Blätter aus dem Buche der Suren – V.

 

 

...

Die Welt euch anzusehn im Flammenlichte,

...

Er haucht den Schimmer fortwas bleibt, ist Nacht.

 

Wenn jäh der Blitz zerreißt der Wolken Dichte,

wenn’s grollend über euren Häuptern kracht

Und sich des Donners Ruf vertausendfacht,

So seid gemahnt an kommende Gerichte.

 

Was zagt der kühne Fuß, der sonst so schnelle,

wenn Dunkel euch umfängt nach Blitzeshelle.

Der Augen weisend Licht, es steht bei Gott.

 

Und bohrt ihr eure Daumen in die Ohren,

Verstummt deßhalb der Donner, eitle Thoren?

Er folgt des Herrn allmächtgem Kraftgebot.

 

Die guten Werke der Ungläubigen

                Sure: Einur

 

„Ein heißer Hauch entschwebt dem Wüstensand

Und zaubert frischen Quell und Psalmenschatten

Den Wand’rern vor, die dürsten und ermatten;

Die kuppelreiche Stadt am Meeresstrand,

 

Der Dattelhain, der Busch am Bachesrand

Sind eitel Trug und Trug die weichen Matten –

Der Wand’rer sinkt und birgt die täuschungssatten,

Die brechendtrüben Augen in’s Gewand; -

 

Es kocht die See, es thürmen sich die Wogen,

Es mischen sich die Wolken mit den Fluten,

Und Nacht hält diesen grausen Kampf umzogen:

 

Ungläub’ge rühmen sich des Scheinbarguten;

Doch ihrer Thaten Werth ist Schaum an Schwere,

Ist Spiegelung, ist Nacht auf wildem Meere.“

 

 

 

Blätter aus dem Buche der Suren – III.

 

 

Ein heißer Qualm entsteigt dem Wüstensand

Und zaubert Wandrern, die vor Durst ermatten,

Oasen vor mit Quell und Palmenschatten,

Und Städte, kuppelreich am Meeresstrand.

 

Doch Stadt und Hain und Born und Blumenrand

...

...

...

 

Ein andres Bild – es thürmen sich die Wogen,

Die Wolken ringen mit des Meeres Fluten,

Nachtdunkel hält den grausen Kampf umzogen:

 

...

...

...

Gottes Strafgerichte

                Sure: Eluminum

 

„Ungläub’ge Völker können nicht erreichen,

Daß ihrer schone, der mit Strenge richtet;

Er straft, er ist’s, der sie im Zorn vernichtet,

Daß spät’re wandern über ihre Leichen.

 

Und kein Geschlecht kann seinem Loos entweichen;

Zur rechten Frist der Tag sich jedem lichtet,

Urzeitlich ist sein Zielpunkt aufgerichtet,

Untrüglich sind des nahen Falles Zeichen.

 

Wer zählt der Gottgesandten lange Reihe?

Und allen doch bestritt man ihre Weihe

Und spottet ihrer. – Weh’ euch, Gottverächtern!

 

Es sanken ganze Völker ins Verderben;

Von Gottes Strafgerichten melden Erben

Die Warnungskunde kommenden Geschlechtern.“

 

 

Blätter aus dem Buche der Suren – IV.

 

 

...

...

Er straft, er ist’s, der zürnend sie vernichtet,

...

 

Und kein Geschlecht wird seinem Los entweichen;

...

Urzeitlich ist sein Endziel aufgerichtet,

...

 

...

...

...

 

...

...

...

Ungläub’gen wehret eure heil’gen Orte

                Nach der Sure: Etteube.

 

Ungläub’gen wehret eu’re heil’gen Orte

Und laßt sie nicht der Kaaba nahe kommen;

Denn ihnen würd’ es wahrlich wenig frommen,

Zu zeugen wider ihr eig’nen Worte.

 

Nur Denen öffne sich die Tempelpforte,

Die zu dem Einen flehen, herzbeklommen,

Auf dessen Hauch die Sonnen all’ entglommen,

Zur Wüste die Sahara einst verdorrte;

 

Nur Denen, die des Weltgerichtes Nahen,

Die Rückkehr in Allah’s Gefilde glauben

Und die den Hülfbedürftigen nicht mit tauben,

Mit abgewandten Ohren nicht empfahen;

 

Und Denen nur, die Weib und Kind verlassen,

Wenn Gott gebeut, zu bluten, zu erblassen.

 

 

 

 

Der Mensch ist undankbar

                Sure: El´adijath

 

Bei allen Rossen, die die Bahn durchrennen,

Mit ihren Hufen Staubeswolken wecken,

Und die mit muth’gem Wiehern, Zähneblecken

Den Tag begrüßen und vor Kampflust brennen;

 

Die in Gefechten dichte Reihen trennen,

Verwundet stürmen durch die Lanzenhecken,

Aus Steinen Funken schlagen, daß voll Schrecken

Wir weithin ihre Pfade Nachts erkennen:

 

Der Mensch ist undankbar; sein Tun und Sinnen

Läßt Gott und Gottes heil’ge Satzung fahren,

Beflissen, flücht’ge Schätze zu gewinnen.

 

Es naht ein Tag, und der wird offenbaren,

Was je bewegt des Menschen Herz tiefinnen;

Sein Lohn wird werden jeglichem Gebahren.

 

 

 

Blätter aus dem Buche der Suren - VII.

 

 

...

Mit ihrem Huf dem Staube Schwingen wecken,

Mit muthgem Wiehern, weißem Zähneblecken

...

 

Bei allen, die der Feinde reihen trennen,

...

...

Des Nachts wir weithin ihren Pfad erkennen:

 

...

...

...

 

Doch wißt, ein naher Tag wird offenbaren,

...

Und Lohn wird werden jeglichem Gebahren.

Rhamazan

                Sure: El-Bakara

 

„Sobald es graut, sobald ihr unterscheidet

Vom schwarzen Faden deutlich einen weißen,

Ist strenges Tagesfasten euch geheißen,

Und daß ihr eu’re rüßen Weiber meidet.

 

Ja, Speis’ und Labetrank sei euch verleidet,

und weichen Armen sollt ihr euch entreißen,

Der Andacht euch im Heiligthum befleißen,

Bis an der Sterne früh’stem ihr euch weidet.

 

Dann schwelgt und stillt das glühendste Verlangen,

Die Zunge labt, das dürre Cactusblatt,

Verlangt von eu’ren Weibern ohne Bangen,

Was Gott erlaubt an bess’ren Trostes Statt:

 

So sei’s gehalten, weil im Rhamazan

Allah das heil’ge Buch euch kundgethan.“

 

 

 

 

 

Der Rhamazan

 

 

...

Den schwarzen Faden deutlich von dem weißen,

Ist ernstes Tagesfasten euch geheißen

...

 

Euch seien speis und Labetranki verleidet,

...

...

...

 

Dann netzt des Gaumens dürres Cactusblatt

Und eßt, und heischt vom Weibe sonder Bangen,

Was Gott erlaubt an bessren Trostes Statt.

 

So sei’s gehalten, weim im Rhamazan

Auf seiner Gläub’gen Bitten und Verlangen

Allah das buch des Heiles kundgethan.

Der Brunnen Semsem

                Angedeutet in der Sure: Etteube

 

O Moslempilger! laß dein Dromedar

Am Bronnen Semsem nicht vorübertraben.

Wohl kann er deinen Gaumen nicht mehr laben,

Und trank ihn Abraham auch süß und klar.

 

Von Gott verstoß’ne böse Dschinnen haben

Den Born getrübt, verderbt für immerdar,

Und wo ringsum ein Frühlingseiland war,

Hat Flugsand jeglich Grün schon längst begraben.

 

Doch koste von des Wassers Bitterkeit;

Es macht das Herz des Meccapilgers weit

In Sehnsucht nach den ewiggrünen Auen;

 

Du träumst des Sidra-Baumes Frucht zu schauen

Und sie, wo ewiglaut’re Bäche fließen,

In heil’ger Schatten Fülle zu genießen.

 

 

 

 

Blätter aus dem Buche der Suren VIII.

 

 

O Moslemwandrer, laß dein Dromedar

...

...

Ihn trank nur Abraham noch süß und klar.

 

...

...

...

...

 

...

...

...

 

...

...

...

Das Eden

                Suren: Amram, Ennisa, Elzaffath u. a.

 

“Euch thut sich siebenpfortig auf das Eden;

In Gärten, d’rinnen gold’ne Früchte hängen

Und Blüthen sich durch dunkles Laubwerk drängen,

Ein Haus der Stäte prangt für euer Jeden.

 

Ihr rastet fürder von des Lebens Fehden

An süßer Wasser kühlungsreichen Gängen.

Nie wird euch Traurigkeit das Herz beengen,

Verwunden nie der Stachel loser Reden.

 

Ihr geht in sedenwallenden Gewanden,

Nach Wonnen, die nur wechseln, die nicht schwanden,

In lichte Träume sinkt ihr, schlafbesiegt.

 

Die Glieder strecket ihr auf weiche Matten,

Und heller Augen Brauen geben Schatten,

Wenn euer Haupt im Schooß der Huri liegt.“

 

 

 

Blätter aus dem Buche der Suren – IX.

 

 

...

...

Und Blüthen sich durch dunkle Blätter drängen,

...

 

...

...

...

...

 

...

...

...

 

 

Die Glieder streckt ihr hin auf weiche Matten

Und wacher Augen Brauen geben Schatten,

...

 

Kain

                Sure: Elmajeda

 

„Es starrte reu’los auf die Bruderleiche

Der Mörder Kain. Er trug sie fort, lud wieder

Von seiner Schulter die entseelten Glieder,

Und wieder starrt auf sie der Neidesbleiche.

 

Da stürzt urplötzlich aus dem Luftbereiche

Ein Rabe blutend auf die Erde nieder;

Ein Vogel folgt mit rauschendem Gefieder,

An Größe, wie an Farbe ganz der gleiche.

 

Er ist’s, der jenen tückisch todtgebissen

Und seine Leiche nun im Sand verscharrt: -

Da fängt es an, den Mörder zu gereuen.

 

Er bebt und heult vom tiefsten Weh zerrissen:

„Ich Thor! Ein Rab’ ist’s, der mir offenbart,

Wo ich den Bruder berge, den getreuen!““

 

 

 

Abraham

                Sure: Elen´am

 

„Nun, das ist Gott!“ rief Abraham und schaute

Den schönsten Stern am blauen Himmelsbogen –

Die Sterne sanken, die emporgezogen,

Sein Gott erblich, sobald der Morgen graute.

 

„Das ist mein Herr!“ sprach Abraham und traute

Dem Mond und seines Lichtes Silberwogen –

Der Mond zerbarst und schwand, und Nebel flogen

Und Wolken über ihn, gewitterlaute.

 

Da that sich auf der Sonne Strahlenhaus.

O Herrin mein!“ so jubelt Asars*  Sohn –

Doch auch die Sonne stürzt vom gold’nen Thron,

Und Abraham, er ruft in Demut aus:

 

„Ich wandelt’ irr, wie alle Götzenknechte;

Unwandelbarer, weise mich zurechte!“

 

    *Asar heißt nach dem Koran der Vater Abrahams

 

 

 

Selicha

                Sure: Iussuf

 

Selicha lud zu sich die Spötterinnen

Und ließ für sie ein köstlich Mahl bereiten.

Die Sclaven nah’n, geschäftig auszubreiten

Des Hauses Pracht, die Gäste zu gewinnen.

 

Auch Josef naht, ein Wunder allen Sinnen;

Ihn heißt die Herrin scherzend näher schreiten –

Und Seufzer jedem Frauenmund entgleiten,

Und Brunst erwacht in jeder Brust tief innen.

 

Die Frauen ritzen blutig sich die Hand*,

Und dunkles Feuer sprüht aus ihren Blicken,

Und jede hofft, den Jüngling zu umstricken.

 

Selicha spricht: „Den Jüngling schau’t! Er fand

Mich schwach, doch widerstrebt er meinen Banden.

Nun? Hättet ihr dem Jussuf widerstanden?!“

 

    * Eine alte Sitte im Orient, um die Heftigkeit der Leidenschaft

für den Gegenstand der Liebe anzudeuten.

 

 

 

 

 

Pharao

                Sure: Die Geschichte und comm.

 

„Wer ist denn Mosis Gott? Ich kenn’ ihn nicht.“

So höhnt Egyptens König, läßt erbauen

Der Thürme höchsten, welcher je zu schauen,

Erklimmt mit Pfeil und Bogen ihn und spricht:

 

„Ich will mich umseh’n, wo sein Angesicht.“ –

Er schnellt den Pfeil empor zum silbergrauen

Gewölb des Firmaments, und sieh’, es thauen

Hernieder rothen Blutes Tropfen dicht!

 

Und blutig kommt zurück der Pfeil geflogen!

„Des Gottes Blut! Und Mosis hat gelogen ! »

 

Doch sieh’, in Nacht verschwimmt der helle Tag,

Gestreift von eines Engels Flügelschlag

Zerfällt in Schutt das stolze Schaugerüste! –

Die Trümmer deckt der rothe Sand der Wüste.

 

 

 

 

Salomon’s Tod.

                Sure: Saba

 

Der aller Vogelsprachen kundig war,

Der Stürme rasen ließ und wieder schweigen,

Der, um den Tempelbau zu fördern, steigen

Aus dunklen Gründen hieß die Geisterschaar;

 

Und dem der Born der Weisheit floß so klar

Wie Keinem noch: er sah den Tag sich neigen

Und sah geschlossen seinen Lebensreigen,

In Schlummer sank sein Haupt für immerdar.

 

Doch auf den Herrscherstab gestützet fand,

Voll Majestät, gleich einem Marmorbilde,

Des Königs Leib noch Halt, die Geistergilde

Beherrschend, bis der Bau vollendet stand.

 

Dann brach der Stab, durchfressen von dem Wurme,

Die Königsleiche fiel im Zauberthurme.

 

 

 

Kreuzfahrer

 

Dein Name hat bewaffnet, heil’ge Stadt!

 

Dein Name hat bewaffnet, heil’ge Stadt!

Des Nordens Söhne, daß sie Blut und Sterben

Gering geachtet, um dafür zu erben

Des Welterlösers Felsenruhestatt

 

Die Durst und Hunger aufgerieben hat,

Die Feinds- und Gleißnertücke ließ verderben,

Die, deren Blut das Schlachtfeld mußte färben,

Und die in Fesseln schlug Gewalt, Verrath;

 

Die Fieberbrand auf’s Krankenlager streckte,

Und die ein Fluß in feuchte Tiefe zog,

Und die des Meeres Spiegelbild betrog,

Und die der heiße Sand der Wüste deckte:

 

Sie wandten sterbend noch den Blick dir zu,

Jerusalem, du Aller Sehnsucht, du!

 

 

Peter der Einsiedler

 

Im Herzen Gram ob Golgathas Entehrung,

Barfuß, in altem, härenem Gewande

Durchwanderst du die weiten Christenlande,

Ein Eiferer, gegürtet mit Entbehrung:

 

„Auf, Sünder! Denkt an Sühn’ und an Bekehrung –

Schlagt eu’ren heim’schen Bruderzwist in Bande –

Des Heilands Spuren decket Schimpf und Schande –

Erwacht, ihr Rächer! Endet die Verheerung!“

 

Dein Ruf durchdröhnt wie Donner Mark und Bein,

Dein Ruf erweicht die Herzen, hart wie Stein,

Bewältigt Fürsten, Ritter, Knecht’ und Troß.

 

Ein Feldherr bist du, armer Mönch, geworden,

Zum heil’gen Kampf bewaffnest du den Norden –

Denn Gott ist in den Kleinen stark und groß.

 

 

Gottfried

 

Dein schönes Erbe gabst du freudig hin,

Um ganz zu lassen von der Heimat Erde;

Du nahmst das Kreuz und nahmest die Beschwerde

Des Führeramts mit gottgeweihtem Sinn.

 

Ein Zelt ist dein Palast; du herrschest d’rin

Voll Majestät in Wort und an Geberde;

Ein König, thronest du auf deinem Pferde,

Ein Scepter war dein Schwert von Anbeginn.

 

O großer Führer, großer Friedensrichter,

Gewalt’gen Zwistes mild-gerechter Schlichter,

Der Fürsten Ordner und der Pilgerheere!

 

Du wolltest tragen nicht die goldne Krone,

Wo Christus ward gekrönt zu blut’gem Hohne,

Und Demut wehrte königlicher Ehre.

 

 

Tancred

 

O Tancred, kann mein Lied ein Blatt noch fügen

Zum Lorbeerkranze, welcher, dicht belaubt,

Die Stirne kühlend ruht auf deinem Haupt,

Und den Jahrhunderte dir nicht geraubt?

 

Du ließest nicht das Scepter dir genügen.

Du ließest nicht das rothe Gold dich trügen

Und falschen Schein dein edles Selbst belügen:

So warst du stark, weil du so stark geglaubt!

 

Dir ward, des Ruhmes jugendlichem Priester,

Das ernste Räthsel der Geschichte klar:

Daß Ruhm und Tugend göttliche Geschwister.

 

Ein Ritter nahtest du, zum Fest geladen,

Der Tempelburg des heil’gen Graal, - sie war

Dein hehrer Traum schon an Tarents Gestaden.

 

 

Bohemund

 

Als Peters Ruf durch’s Abendland erscholl,

Da gabest du den Purpur hin der Scheere,

Daß sich mit rothem Kreuz die Brust bewehre;

„Gott will es!“ riefest du begeist’rungsvoll.

 

Byzantinum verbiß den alten Groll,

Als du auf schnellen Schiffen Gottfried’s Heere

Zuführtest Ross’ und Reiter, Schild’ und Speere.

Bevor die See in Winterstürmen schwoll.

 

Dein kluger Rath obsiegte hier und dort,

Gemünztes Gold, das war dein feurig Wort,

Dein Schwert ein Strahl der Rache allerwärts.

 

Das einzig schmälert deinen Heldenruhm:

Es schlug dir, Eiferer für’s Heiligthum,

Unter dem Kreuz noch ein – normannisch Herz

 

 

Ademar

 

Warum wehklagt in ungemess’ner Klage

Das Heer, vom Kreuze für das Kreuz entsendet?

Wen birgt, auf Priesterschultern, jene Trage?

Wem gilt der Trauerzug, der gar nicht endet?

 

Er hat sein zwiefach Pilgerthum vollendet,

Deß Wort das Heer begeistert, wenn es zage, -

Besänftigt, wenn es tobte wild verblendet!

Es riß zu früh die Kette seiner Tage.

 

Der Mittler zwischen Herrn und Troß ist todt! –

Er war ein Ritter kühn, ein Priester mild,

Sein Wort ein Hort, ein fester Ehrenschild.

 

Wie Mosen, - nur von weiter Ferne bot

Das heil’ge Land sich seinen Blicken dar,

Das seiner Sehnsucht heiß Verlangen war.

 

 

Sieg und Sühne

 

Wohl habt ihr neu das Kreuz emporgerichtet,

Mit Siegesglanz und Herrlichkeit umgeben;

Wohl seh’ ich hoch die kühnen Banner schweben: -

Gott hat durch eu’ren starken Arm gerichtet.

 

Doch habt ihr nicht gekämpft, ihr habt vernichtet.

War Weib und Kind in eu’re Hand gegeben?

Ich seh’ ihr Blut an eu’ren Schwertern kleben,

Ja, Sieger! eu’re Thaten sind gesichtet.

 

O tilgt mit wahrer Reue Thränenflut

Die Schuld der wahnsinnstrunk’nen Kampfeswuth

Und laßt nicht ab zu weinen und zu beten.

 

Des Heilands Grab, zu dem die Sehnsucht fliegt,

Für das ihr oft geblutet, oft gesiegt, -

Ihr seid nicht würdig sonst, es zu betreten.

 

 

Richard

 

O Löwe aus des Abendlandes Norden!

Dein Brüllen macht den Orient erbeben;

Wenn drohend deine Pranken sich erheben,

Zerstieben wild des Islam Kriegerhorden.

 

Dein Namen ist ein Schreckensruf geworden

Und macht der Buben lose Zunge kleben;

Der Reiter frägt bei jähem Widerstreben

Sein feurig Roß, ob dich gewahr es worden.

 

O Löwenherz, mit Liedern und mit Sagen

Hat herrlich sich dein Waffenruhm umgeben,

Im Munde später Enkel noch zu leben.

 

Und dennoch darf ich kühn die Muse fragen:

Ob nicht der Tadel größer und gerechter,

Als die Bewund’rung staunender Geschlechter?!

 

 

Der Templer

 

Der Templer trat in’s Zelt vor Saladin,

Gefangen trat er vor den Sieger hin;

Doch ungebrochen war sein hoher Sinn,

Sein Auge wußte jedem Spott zu wehren.

 

    Saladin:

 

„Es bringt uns Beiden dieser Tag Gewinn;

Ich will dir Schwert und Freiheit neugewähren,

Laß dafür meinen Vetter wiederkehren, -

Ein solcher Tausch, euch Beide muß er ehren.“

 

    Templer:

 

„Mit Nichten nehm’ ich deinen Vorschlag an.

Ist also leicht die Lösung zu emphah’n,

Wer kämpft hinfort für’s Kreuz als ganzer Mann?

 

Kein Templer, der sein Kleid vor Allem ehrt,

Wog jemals anders auf der Lösung Werth

Als mit der Schärpe, mit dem guten Schwert.“

 

 

Hugo von Tiberias

 

    Hugo:

 

„Herr Sultan! Klein und dürftig ist mein Land,

Ich weiß das Lösegeld nicht aufzubringen;

Ein Gast verbleib’ ich derer, so mich fingen,

Bis ausgelechzt das Fischlein auf dem Sand.“

 

    Saladin:

 

„Gib mir vorerst dein ehrlich Wort zum Pfand.

Vermagst du neu den lichten Stahl zu schwingen,

Läßt Jeder ein’ge Byzantiner springen,

Und kein Genosse reicht dir leer die Hand.“

 

    Hugo:

 

„Wohlan! Wo fänd’ ich edlere Genossen

Als Euch, Herr Sultan, hier und Eu’re Großen?

Versagt daher mir Eu’re Rechte nit.“

 

Und sieh’, der Sultan steuert wacker bei,

Und heimwärts reitet Hugo frank und frei, -

Sein Zehrgeld reicht noch weiter als sein Ritt.

 

 

Saladin

 

“Nimm dieses Kleid und trag’ als Trauerfahne

Der Welt es vor und künd’ es unverdrossen:

Des Morgenlandes Herrscher hat geschlossen

Das Buch der Taten, unruhvoller Plane.

 

Er ist geheilt vom irrwischhellen Wahne.

Wer zieht mit ihm von Freunden und Genossen,

Von Macht und Reichtum über ihn ergossen?

Er fährt allein im schwarzen Todtenkahne.“

 

So sprach des Islam Held, sein Schwert und Schild,

Der Herrrscher, weise und gerecht und mild,

Bevor sein Puls zu schlagen innehielt. –

 

Daß Türken, Christen, Juden sich vereinen,

Dich, Saladin, zu preisen, zu beweinen,

Will mir als höchstes Menschenlob erscheinen.

 

 

Barbarossa

 

Der Kaiser stirbt, gebettet auf den Sand!

Sein Aug’ erlischt – und uns’rer Hoffnung Licht!

Sein Puls, er stockt, - und uns’re Stärke bricht!

Sein Arm erstarrt, - gelähmt ist uns’re Hand!

 

Dein Kaiser todt, o Deutschland, Heimatland!

O zürne den verwaisten Söhnen nicht;

Hier rechte mit der Wellen Truggesicht,

Klag’ an den Fluß, der ihm die Kraft entwandt!

 

Aufjauchzt der Grieche, falsch wie eine Flut,

Ikonjum rafft sich auf mit neuem Mut,

Mit Gold belohnt die Botschaft Saladin.

 

Im fernen Westen ging die Sonne auf,

Im lichten Osten endet jäh ihr Lauf, -

Jerusalem, dein Retter ist dahin!

 

 

Clorinda

Nach Tasso’s: Gerus. lib.

 

I. 

 

Held Tankred schleppt die kampfesmüden Glieder

In’s Wäldchen, das ihm Schatten beut und Kühle;

Er wählet duft’ge Matten sich zum Pfühle,

Er lauscht und steigt zur munt’ren Quelle nieder.

 

Doch plötzlich hält er, eilt und zaudert wieder;

Es wird ihm heißer als im Schlachtgewühle

Und heißer noch als in der Mittagsschwüle,

Er athmet tief und öffnet weit die Lider.

 

Clorinda steht, die Heidin, an dem Born;

Die Maid, die stolze, trägt die Panzerhülle,

Doch frei umwallet sie des Haares Fülle.

 

Nun schaut sie auf und blickt nach ihm voll Zorn!

Und sieh’, die Jungfrau-Heldin sprengt von hinnen,

Bevor der Held erwacht aus tiefstem Sinnen.

 

 

II.

 

Dem Kampf am Thor in branderhellter Nacht

Enteilt ein Kreuzesritter und ein Heide;

Zu grausem Einzelkampf entbrennen Beide,

Es schaut kein Zeuge die Zweimännerschlacht.

 

Sie rasten, Blut entquillt dem Panzerkleide.

„Sei, Sarazen’, auf deinen Ruhm bedacht,

Dein Nam’! ehvor mein Stahl dich schweigen macht.“

„Den sagt dir meines Damasceners Schneide!“ –

 

Sei gnädig, Tag! verscheuche Nacht und Wahn! –

Zu spät! Die Sonne hebt zu leuchten an,

Doch ew’ge Nacht umzieht zwei schön’re Sonnen.

 

Aufheulend wirft sich Tancred auf den Sand;

Clorinda stirbt! Noch reicht sie ihm die Hand

Und lächelt und begehrt der Taufe Bronnen

 

 

Herminia

    Nach Tasso’s: Gerus. lib.

 

I.

 

Der goldbesäumte Schleier liegt bei Seite,

Und von der Schwanenschulter gleitet nieder

Das weiche Prachtgewand; die zarten Glieder,

Sie kleiden sich in Stahl als wie zum Streite.

 

Die Hand, die süßem Lautenspiel sich weihte,

Erfaßt den Schild, erlahmt und hebt ihn wieder;

Erröthend senkt das Fürstenkind die Lider, -

Doch Lieb’ und Sehnsucht drängt hinaus in’s Weite.

 

Der Waffen Silberglanz berückt die Wachen,

Es knarrt das Thor, die Jungfrau athmet freier,

Der Mond erhellt den Pfad zur Liebesfeier.

 

An Tancred’s Schmerzenslager will sie wachen,

Die kräuterkund’ge Maid, mit treuen Sinnen

Und dort des Herzens Frieden neu gewinnen.

 

 

II.

 

Doch Krieger, die nach Beute ausgegangen,

Erspäh’n die Maid an ihrer Waffen Helle.

Sie sieht bedroht sich an der Liebe Schwelle,

Und Angst befällt ihr Herz und Todesbangen.

 

Ein Rehlein, aufgeschreckt vom Hundsgebelle,

So sieht die Jungfrau, läßt die Zügel hangen

Und flieht, so weit des Rosses Kräfte langen, -

Ihr lichtes Auge wird zur Thränenquelle.

 

Sie sucht bei Hirten Schutz vor schlimmer Nacht;

Ein rauhes Kleid verdrängt der Rüstung Pracht,

Dem Haupt’ ersetzt ein Tuch den goldnen Reifen.

 

Die Heerde weidet sie; sie gräbt in Stein,

In Rind und Blatt des Theuren Namen ein

Und läßt umsonst nach ihm die Blicke schweifen.

 

 

III.

 

Herminja naht mit Hoffnung und mit Beben

Den Christenzelten, die die Stadt umsäumen;

Ein Riesenleichnam macht ihr Pferd sich bäumen,

Ein Kreuzesritter, regungslos daneben.

 

Aufschrickt die Maid aus süßen Liebesträumen;

Sie sieht geronnen Blut am Harnisch kleben,

Gelöst den Helm, ein Antlitz ohne Leben, -

Vom Sattel springt sie jammernd, ohne Säumen.

 

Ja, Tankred ist’s! – Sie macht die Wunden trocken

Und nimmt den dünnen Schleier zum Verband,

Ihr Zaubermachtspruch bringt das Blut zum Stocken.

 

Sie beugt sich weinend, küssend über ihn,

Bis Krampf und Nacht von seinen Wimpern schwand,

Ein Blick sie lohnt, die treue Pflegerin

 

 

Armida

    Nach Tasso’s: Gerus. lib.

 

I.

 

Rinaldo schwelgt in ferner Wunderwelt,

Auf blüh’ndem Eiland über Nacht entstanden;

In süßen Armen und mit Zauberbanden

Armida sorglos ihn gefangen hält. –

 

Es fehlt dem frommen Heer der Siegesheld.

Zwei wackre Ritter zogen aus; sie fanden

So Kahn als Fährmann ihrer harrend, landen,

Betreten kühn der Liebe Schattenzelt.

 

Ubald tritt vor und hält den Demantschild

Dem Jüngling vor’s Gesicht: Rinald’ erbebt, -

Er schaut ein argentstelltet Heldenbild.

 

Er glüht vor Scham, er fliehet, neubelebt.

Armida folgt ihm, läuft die Füße wund; -

Umsonst! Ihr Reich versank zur selben Stund’

 

 

II.

 

Armida sieht Egyptens Macht zerstoben;

Das Kreuz obsiegt, Rinald ist unbezwungen,

Die Mörderhand ist kalt, die sie gedungen,

Kein Pfeil hat seine Marmorbrust gekloben.

 

O Bogen, der du rachekühn erklungen,

O Helm, o Schild, ihr seid der Pflicht enthoben!

Armida’s Herz ist todt, für Hasses Toben,

Für Liebe tost, ihr Herz hat ausgerungen.

 

Armida leert den Köcher in den Schooß;

Sie deckt die weißen Busenhügel bloß

Und kehrt den schärfsten Pfeil dem Herzen zu.

 

Doch eh’ sie stößt, hält ihr die Hand gefangen

Rinald; er fleht, der ihr gefolgt mit Bangen:

„Halt ein!  Mein ehlich christlich Weib sei du!“

 

 

Gestalten aus den Kreuzzügen

 

Dein Name hat bewaffnet, heilge Stadt.

 

...

...

Für nichts erachtet, galt’s um dich zu werben

Und zu befrei’n des Heilands Ruhestatt.

 

Die Hunger, Hitze, Durst zu Schanden trat,

Des langen weges Unstern ließ verderben,

Und deren Blut das Schlachtfeld mußte färben,

Und die Gewalt in Fesseln schlug, Verrath –

 

...

Und die der Fluß in feuchte Tiefe zog,

...

 

...

...

denn du warst aller Sehnsucht, Salem, du!

 

 

Peter der Einsiedler

 

...

...

...

...

 

...

...

Des Heilands Grab erleidet Schimpf und Schande,

...

 

...

...

Bewältigt Fürsten, Ritter, Volk und Troß.

 

Ein Feldherr bist du, Bettelmönch, geworden,

...

...

 

 

Gottfried

 

...

...

Und nahmst zum Kreuz die größere Beschwerde

...

 

Das Zelt ist dein Palast; du herrschest drin

...

Ein wahrer König, thronst du auf dem Pferde,

...

 

...

...

...

 

...

...

...

 

 

Tancred

 

...

...

...

...

 

...

Nicht rothes Gold dein reines Auge trügen,

Nicht falschen Schein dein edles Selbst belügen;

...

 

...

...

...

 

...

Der Tempelburg des Gaal’, und sie nur war

...

 

 

Bohemund

 

...

Da gabst du deinen Purpur hin der Scheere,

...

„Gott will es!“ riefst auch du begeistrungsvoll.

 

...

Als deine schnellen Schiffe Gottfrieds Heere

Zuführten Ross’ und Reiter, Schild und Speere,

Bevor die See von Winterstürmen schwoll.

 

...

Gemünztem Golde glich dein feurig Wort,

Dein Schwert, der Rache Blitz war’s allerwärts.

 

Und dennoch ist getrübt dein Heldenruhm,

...

Auch unterm Kreuz noch ein – normannisch Herz.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Richard

 

O Löwe von des Abendlandes Norden,

...

...

...

 

...

...

...

...

 

...

...

...

 

Wer braucht nach deinen Thaten erst zu fragen?

Doch nur ein Stein, ein einz’ger, Meldung thut

Hier hat der Leu des Nordens ausgeruht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Saladin

 

...

...

...

Das Buch der stolzen, unruhvollen Plane;

 

...

Was nimmt er mit von Freunden und Genossen,

...

...

 

...

Der weise Herrscher, so erecht als mild,

...

 

...

...

...

 

 

Barbarossa

 

...

...

...

...

 

...

...

...

Dem Seleph Fluch, der ihm die Kraft entwand.

 

Aufjauchzt der Grieche, falsch wie diese Flut,

...

...

 

Der Hoffnung Sonne ging im Westen auf

Und enden mußt’ im Osten sie den Lauf –

...

Terra sancta

 

Ich liebe dich, du Land der Prophezieen

 

Ich liebe dich, du Land der Prophezien!

Obgleich die Patriarchen, Kön’ge, Richter

Und deine Heldenfrauen, Sänger, Dichter

Nur noch im Geist an mir vorüberziehen;

 

Obgleich dein eigen Volk, Undanks geziehen,

Ein Fremdling dir geworden, kein Errichter

Des alten Bund’s ersteht, kein Normen-Sichter

Im Haus Jehova’s liegt auf seinen Knieen.

 

Du meiner Sehnsucht sonniges Gestade!

Du bist Jehova’s Land, das Land der Gnade,

Das Land der Bibel, wundervolle Siege,

 

Der Strafgerichte, der Prophetenmahnung,

Der tausendjährigen Messiasahnung, -

Des Heilands Grab und meines Glaubens Wiege!

 

 

Terra sancta

 

Ich liebe dich, du Land der Prophezieen

 

...

...

Die großen Mütter, Heldenfrau’n und Dichter

Gleich Schemen meinem Geist vorüberfliehen.

 

Du sahst dein eigen Volk von hinnen ziehen,

Erkennen wollt es nicht den Normen-Sichter,

Des neuen Bundes göttlichen Errichter,

Und nicht vor schlichtem Opferbrote knieen.

 

Und doch, der Sehnsucht sonniges Gestade,

Bist du Jehova’s Land, das Land der Gnade,

Der Bibel Land und wundervoller Siege!

 

Du bist die Heimat der Prophetenmahnung,

...

...

 

Mir gab von dir das erste Buch schon Kunde

 

Mir gab von dir das erste Buch schon Kunde,

Mein Geist, noch kaum erwacht, hat dich geschaut;

Dir galt des Knaben früher Sehnsuchtslaut,

Ein Lallen war dein Nam’ im Kindesmunde.

 

Wie anders tagst du mir in dieser Stunde,

Als meine Phantasie dich aufgebaut!

Obzwar, wie einst, derselbe Himmel blaut,

Versiegt sind längst der Segensquellen Spunde.

 

Verschlossen ist der Garten ird’scher Wonnen,

Verstummt sind all’ die weißen Plätscherbronnen,

Und kahl die Rebenhügel, Myrthenhöh’n,

So üppig einst und stolz und jugendschön!

 

O sieh’, auch Berge altern, erdgegründet,

Wenngleich die Bibel gar ihr Lob verkündet!

 

 

Mir gab das erste Buch von dir schon  Kunde

 

Mir gab das erste Buch von dir schon Kunde,

Noch kaum erwacht, hat dich mein Geist geschaut,

...

...

 

...

...

Noch bist du selbst, der selbe Himmel blaut,

Versiegt nur sind des Segens reiche Spunde.

 

...

...

Die Rebenhügel kahl, die Myrthenhöhn.

 

Du hast gealtert, Land, du bist gewesen,

Und stünd’s im Buch der Bücher nicht zu lesen,

Wer glaubte, daß du jemals jung und schön?

Karmel

 

“Zu Pferd, zu Pferd!” – Entkommen kaum den Wellen,

Besteigen Rosse wir zu steilem Ritte

Bei Fackelschein, in fremder Männer Mitte,

Erregend ringsumher der Hunde Bellen.

 

Laternen leiten die bedächt’gen Schritte

Durch’s Dunkel, das die Sterne karg erhellen;

Maulthiere traben hinterdrein mit Schellen,

Und lautes Gellen wecken ihre Tritte.

 

Ein Saumpfad führt hinan zum Ruheporte.

„Ein Streifen! Siehe, Mauern nah und näher!“

„Ach, weiße Turbantücher, müder Späher!“

 

Doch endlich öffnet sich die Klosterpforte; -

Die Mönche bringen, schlafberaubt, das Beste,

Und Feigen dar und harte Brotesreste.

 

 

 

 

 

Nazareth

 

I.

 

War das ein Ritt! Bei jedem Tritt ein Beben,

Ob sicher ihn das Pferd gethan, der Reiter

Sich halten könn’ im Sattel! Rings umgeben

Von Finsternis, das Schweigen als Begleiter!

 

Erst machte Tagesglut die Zunge kleben,

Ein Mädchen war sodann der Schreckbereiter,

Weil raubberüchtigt; Sümpfe drohten weiter,

D’raus mußte jähen Rucks das Roß sich heben.

 

Dann volle Nacht! Der Pfad abschüssig, steinig,

Oft spannbreit kaum, das arme Tier mattbeinig

Auf schrägen Platten, wahren „Teufelsbrücken“!

 

„Ein Lichterkranz!“ Wie groß war das Entzücken!

„Ein Minareth, erhellt im Rhamazan!“ –

Bald hielten d’rauf vor dem Hospiz wir an.

 

 

 

II.

 

Die Mönche heben uns vom Pferderücken

Und leiten uns hinan die dunklen Stufen;

Ein Bruder eilt herbei, mit trautem Rufen

Uns freudig an sein deutsches Herz zu drücken.

 

Und laues Wasser stand bereit in Kufen,

Und weiße Betten mehrten das Entzücken;

Geschäftig, uns zu laben, zu beglücken,

Ein gastlich Mahl uns Möncheshände schufen.

 

Doch eh’ wir uns zum Mahle setzten nieder

Und auf den Diwan streckten unsre Glieder

Und uns’re Schuhe zogen von den Füßen:

 

Erscholl auf Aller Mund ein frommes Grüßen:

„Gegrüßt sei du, du Hochgebenedeite!

Maria, gib uns ferner dein Geleite.“

 

 

 

Ave Maria in Nazareth

 

Die Mönche hoben uns vom Pferderücken

Und leuchteten hinan die dunklen Stufen;

Manch einer eilt herbei, mit trautem Rufen

...

 

Und rasch ein Mahl uns Möncheshände schufen,

Wer hungrig, ist so leicht ja zu beglücken,

Und weiße Betten mehrten das Entzücken

Und laues Wasser stand bereit in Kufen.

 

Doch eh wir uns zum Gastmahl setzten nieder

...

...

 

...

Gegrüßest sei, du Hochgeenedeite!

...

III. – Mons tremoris

 

In seiner Vaterstadt, im Bethaus steht

Der Heiland, seine Neider in der Runde;

Da fährt dies Wort aus seinem heil’gen Munde:

„Nichts gilt im Vaterlande der Prophet.“

 

Und sieh’, die sich versammelt zum Gebet,

Die Priester rotten sich zum Mörderbunde,

Verhalt’nen Grimm entfesselt dsiese Stunde,

Zur Gräuelstätte wird ein Fels erspäht. –

 

Den Sohn erblickt zum Sturze vorgeführt

Auf nahem Berge sie, der Mütter Zier;

Maria bebt und wundervoll! gerührt

Erbebt der ungeheur’re Berb mit ihr; -

 

Und „Berg des Schreckens“ wird er noch genannt,

Vom Schrecken, den das Mutterherz empfand.

 

 

 

Bethlehem

 

I.

 

Wir stiegen in die Felsengrotte nieder,

Aus der das Heil der Welt emporgestiegen.

Wer wollte nicht das Knie zur Erde biegen,

Durchrieselt Andachtschauer seine Glieder?

 

Hier mußt’ auf Stroh der junge Heiland liegen,

Der einstens kehrt mit Macht und Hoheit wieder;

Hier weht ein Nachhall jener Engeldlieder

Vom Licht, das kam ob langer Nacht zu siegen! –

 

In stummer Ehrfurcht lagen auf den Steinen

Zwei Männer, die das Ackerland bebauen;

Mir wollt’ ihr Antlitz, biedergut zu schauen,

Wie das der frommen Hirten gar erscheinen.

 

Wie Brüdern drückt’ ich ihnen warm die Hände,

Als ihre tiefe Andacht war zu Ende.

 

 

 

 

II.

 

O heil’ge Nacht, so wundermild entglommen!

Gleich Sternenaugen möcht’ ich dich durchwachen.

Wohl solch ein Stern gebot, sich aufzumachen,

Den fernen Kön’gen, und hieher zu kommen;

 

In solcher Nacht erschollen wohl den Frommen,

Bemüht das Weidefeuer zu entfachen,

Die Engelschöre, die das Schweigen brachen,

Und machte Himmelsglanz ihr Herz beklommen.

 

Auf Fluren gießt der Mond sein Silberlicht,

Wo einst die Moabitin Aehren las,

Um David sich des Vaters Heerde schaarte. –

 

Das Klosterdach war eine Sternenwarte:

Ich sah hinab, hinaus, hinauf ohn’ Unterlaß;

Wie lang ich träumend schaute, weiß ich nicht.

 

 

 

Eine Nacht in Bethlehem

 

...

...

...

...

 

In solcher Nacht vernahmen wohl die Frommen,

...

Den Ruf der Engel, die von Frieden sprachen,

...

 

...

Wo schüchtern Ruth bei Boas’ Schnittern saß,

Wo traut um David sich die Heerde schaarte.

 

Das Klosterdach war meine Sternenwarte,

Ich sah hinaus, hinauf ohn’ Unterlaß,

...

III.

 

Bei Christen und selbst Türken hoch in Ehren

Im Thale steht die Riesenterebinthe,

Die einst, als Schirmdach Kühlung zu gewähren,

Der Mutter mit dem Jesukindlein diente.

 

Nie wird der Baum des grünen Laubs entbehren,

Nie altert seine Kraft im Mark und Splinte;

Der schnellste Reiter kann sich nicht erwehren, -

Er steigt vom Pferd und legt von sich die Flinte.

 

Die Wanderrast ist unter diesem Baum

So wonnig, lind, wie nirgend eine mehr;

Du träumest unvergeßlich süßen Traum,

Zu scheiden wird dir unerklärlich schwer;

 

Von Mälha’s Rosengärten wendest du

Den Blick nach „der Marienruhe“ zu.

 

 

 

Heilige Rast

 

Bei Christen und bei Türken hoch in Ehren

...

Weil einst ihr Schatten, Kühlung zu gewähren,

...

 

...

Nie schwindet seine Kraft im Mark und Splinte;

...

...

 

Hier trämst du paradiesisch holden Traum,

Die Wanderrast ist unter diesem Baum

So wonniglind wie nirgend eine mehr.

 

...

...

...

Ruth

 

I.

 

Naemi

 

“Noch tritt auf Moabiterland dein Fuß;

Nicht weiter, Ruth! Lenk’ heimwärts deine Schritte;

Was lockt dich fremdes Volk und fremde Sitte?

Sieh, Orpha ging mit meinem Segenskuß.

 

Ich bin verarmt und kinderlos und muß

Um Mitleid fleh’n in meines Volkes Mitte.

O laß von mir! Du weißt nicht, was ich litte,

Befiehl’ einst Kummer dich und Überdruß.“

 

    Ruth

 

„O laß, wohin du gehst, mit dir mich eilen,

Und dort, wo du verweilst, auch mich verweilen;

Laß, Mutter! selbst dein spätes Grab mich theilen. –

 

Laß Jacobs Haus zur Heimat mich erkiesen,

Jehova sei, dein Gott, von mir gepriesen

Und Schwesterliebe deinem Volk erwiesen!“

 

 

Ruth und Naemi

 

 

 

   Naemi

 

...

Nicht weiter Ruth! nun lenke heim die schritte,

...

...

 

...

...

Sei klug, mein Kind! Du weißt nicht was ich litte,

...

 

   Ruth

 

...

...

...

 

Zur Heimat will ich Jacobs Haus erkiesen,

...

...

 

II.

 

Die Moabitin schlich nach Boas’ Tenne,

Im Herzen Bangen und Noemi’s Rath;

Sie späht nach des Geliebten Ruhestatt –

Leichtgläubig Herz, nicht allzuschnell entbrenne!

 

Sie glaubt nicht, daß sie’s über sich gewänne,

Bis – aufgedeckt sie Boas’ Füße hat:

Sie bebt, wie schuldig einer Missethat,

Und wünscht, daß Erd’ und Meer von ihm sie trenne.

 

„Wer bist du? sprich!“ – „O Herr, sieh’ deine Magd!

O breite schützend deinen Fittig aus

Und zürne nicht, wenn ich zu viel gewagt!“

 

„Getrost, mein Kind! Und harre still zu Haus’;

Ich eil’ ins Bogenthor der Stadt noch heut’,

Zu thun, was Recht und Sitte mir gebeut.“

 

 

 

 

Tiberias

 

I.

 

O Sonne! gieße deine goldnen Strahlen

Auf diesen See als schön’rer Vorzeit Gruß,

Daß Licht und Schatten noch ein Leben malen;

Zu Silberadern mache Bach und Fluß.

 

Einst glichen üpp’gen  Brüsten diese fahlen,

So weichgeformten Höh’n an Überfluß;

Jetzt prägt sich düster aus an jenem kahlen

Gebirg’ des Überdauerns Überdruß.

 

Tiberias! Wo sind die Schwesterstädte:

Bethsaida, Kapernaum und Magdala,

Die Vaterstadt der schönen Büßerin? –

 

Wenn ihn die Bibel nicht verewigt hätte,

Der schönste See, er läg’ verschollen da; -

Es schwebt kein Segel mehr darüber hin.

 

 

Der See Genezareth

 

I.

 

O Sonne, gieß die Fülle goldner Strahlen

Auf diese Flut als schönrer Vorzeit Gruß,

Laß Licht und Schatten drauf ein Leben malen

Und wiederspiegelnd leuchten Bach und Fluß!

 

...

Noch weichgeschwungnen Höh’n an Überfluß

Und an den Bergen zeigte sich, den kahlen,

Noch nicht des Überdauerns Überdruß.

 

...

...

...

 

...

Der schönste See, verschollen läg’ er da –

...

II.

 

Als sich vom Purpurpfühl die Sonn’ erhob,

Hatt’ ich der Veste Trümmer schon erklommen;

Zum Flammenmeere war der See entglommen,

Und Funken jeder Schlag der Wellen stob.

 

Und süßem Sammelfleiße lag ich ob.

Die hochgeschürzten Mädchen, die gekommen

Zu schöpfen, blickten schalkhaft und beklommen,

Als lichte Muscheln ich vom Sande hob.

 

Nach heißem Quellenbade ruht’ ich aus

Und saß auf einer Säul’ am stillen Strand,

Die einst geschmückt Herodis stolzes Haus.

 

Die kurze maienlinde Sternennacht,

Die mich mit wachen Augen träumend fand,

Glich einem riesigen Juwelenschacht.

 

 

II.

 

...

...

Bald war der See zum Flammenmehr entglommen,

Daß Funken jeder Schlag der Wellen stob.

 

Des Sammelns süßem Fleiße lag ich ob,

...

...

...

 

Ein Quellbad füllt die schlaffen Stunden aus;

Zu sinnen gibt die säul’, am stillen Strand,

Wo sie geschmückt Herodis stolzes Haus.

 

...

...

...

III.

 

Wir hielten plötzlich uns’re Traber an

Und schwangen uns vom heißen Bügel nieder;

Zu weichem Pfühl für reitensmüde Glieder

War reich an hohen Gras der weite Plan.

 

Das Meer des Aethers mit den gold’nen Kahn,

Es spiegelt sich im Seegewoge wieder,

Und wonnig hebt die Seele das Gefieder

Im Angesichte Tabors himmelan.

 

Ei sieh’, es wogt kein Saatfeld in der Runde,

Und dennoch wiegen sich drei Ähren hier,

Entsprossend jährlich neu demselben Grunde!

 

Dich wandelt’s wie ein schönes Wunder an,

Wird noch vom Dragoman die Kunde dir:

Hier speis’te Christus einst fünftausend Mann.

 

 

 

 

IV.

 

Ein Beduine folgte seinem Pflug

Mit nacktem Fuß, gegürtet um die Lenden;

Er zog die Furchen, ohne sich zu wenden

Nach uns’rem trachtenfremden Pilgerzug.

 

Vom Pferde, das mich durch die Eb’ne trug,

Gestiegen, langt’ ich kühn mit beiden Händen

Nach seinem Pflug; er ließ es gern bewenden,

Kaum daß er ruhig, was ich wolle, frug.

 

Die Scholle brechend sprach ich Segen d’rein:

„O Land, das einst von Milch und Honig floß,

O werde wieder reich und schön und groß!

 

Wann wird der Sektenzwist beendet sein?

Wann gleicht ihr, Hügel, üpp’gen Fohlen wieder?

Wer reißt von Morija den Halbmond nieder?!“

 

 

Die Scholle brechend sprach ich Segen drein

 

...

...

Und zog die Furchen, ohne  sich zu wenden

...

 

...

Gestiegen, langt’ ich dreist mit beiden Händen

Nach dem Geräth; er ließ es gern bewenden,

...

 

...

...

...

 

...

...

...

Am Jordan

 

I.

 

Auf müden Pferden müde Wandrer saßen

Und Beduinen dienstbereit zur Seite.

Die Sonne gab uns brennendes Geleite

Auf wüsten Strecken, welche wir durchmaßen;

 

Die dürre Zung’ entbehrte jedes Nassen,

Es trabte lautlos unser Zug in’s Weite. –

Doch welch’ ein Bildnis, welches traumgefeite?

Oasengrün, das gold’ne Säum’ umfassen!

 

Am Born des Südens Töchter, Krüge tragend,

Gazellenschlank, mit sonnenhellen Blicken!

Vom Haupt sie langten die Amphoren zagend,

Des deutschen Pilgers Kehle zu erquicken.

 

Ein Blick in lange Wimpern, halbverschlossen, -

Zu weißen Zelten dann auf schnellen Rossen!

 

 

 

 

Oasengrün

 

Auf müden Gäulen müde Waller saßen,

Den Scheikh der Wüste hatten sie zur seite,

Der Sonne Glut zum ständigen Geleite

Auf dürren Strecken, welche sie durchmaßen.

 

Die schwere Zung’ entbehrte längst des Nassen,

Verstimmt und lautlos trabt der Zug in’s weite,

Da ... welch ein Bildniß, welches traumgefeite?

Oasengrün, das goldne Säume fassen!

 

Und Mädchen, sieh’, am Brunn, Amphoren tragend,

Gazellenschlank, mit sonnenhellen Blicken ...

Ob sie des Fremdlings Kehle wohl erquicken?

 

Erröthend reichten sie den Krug und zagend ...

Ein letzter Blick in Wimpern, halb geschlossen,

Zu weißen Zelten dann auf flinken Rossen!

 

 

II.

 

Die Antilope trank aus dieser Quelle

Und labte sich in dieser Büsche Schatten;

Der Pferde Huf verscheucht die allzuschnelle,

Nun ruhen wir auf diesen grünen Matten.

 

Aus dürren Felsen springt die munt’re Welle,

Jahrtausend’lange fließt sie ohn’ Ermatten;

Und Allen quillt der kühle Trunk, der helle,

Die hier sich kurze Wanderrast gestatten. –

 

Elias ließ, als ihn der Feuerwagen

Entrückte, seinem Jünger, schmerzgebeugt,

Den Mantel und mit ihm die Wundergabe.

 

Von Elisäus rührt die ew’ge Labe,

Die jetzt noch, selbst ein klares Wunder, zeugt

Von wunderreichen und Propheten-Tagen.

 

 

 

Die Elisäusquelle

 

...

Und labte sich in dieser Bäume Schatten;

Der Pferde Huf verscheuchte sie, die schnelle,

Uns räumte sie die Frische grüner Matten.

 

...

Jahrtausende hindurch, und ohn’ Ermatten,

Und allen Quillt der Trunk, der kühle, helle,

...

 

Den Mantel und mit ihm die Wundergabe

Empfing der Jünger, furcht- und schmerzgebeugt,

Als Trost des Meisters aus dem Feuerwagen.

 

Und vom Eliasschüler stammt die Labe,

...

Von wunderreichen, von Propheten-Tagen.

III.

 

Wo einst die Mauern Jericho’s gestanden,

Der Palmenstadt, da schimmern uns’re Zelte;

An Pfähle wir ringsum die Pferde banden,

Schabrack’ und Sattel schützt sie Nachts vor Kälte.

 

Und Betten, Mahl und Cyperwein wir fanden

Für Durst und Tagesgluten zum Entgelte. –

Ich mied das Zelt und die in Schlummers Banden,

Nicht achtend, ob der Dragoman mich schelte.

 

Wie schlürft’ ich ein die würz’ge Abendkühle!

Wie schaut’ ich auf zum goldenen Gewühle

Des Himmels, reich wie gelber Sand der Wüste!

 

Das Lagerfeuer ging gemach zu Rüste,

Schon drang Schakalsgeheul aus dunklen Fernen:

Da ging ich träumen unter Südens Sternen.

 

 

 

 

IV.

 

An Jordan’s frühlingsgrüner Uferlänge,

Wo einst Johannis Wüstenruf erscholl

Und reu’gem Sinn die erste Taufe quoll,

Da rauschten deutscher Pilger Chorgesänge.

 

Ein Priester las die Mess’ im Festgepränge;

Und als der Glocke Ton zum Ohre schwoll, -

Verstummt der Chor und lauschet andachtsvoll,

Nur leise bebt des Baumes Laubgehänge.

 

Osmanli knie’n auf Teppichen daneben

Und beten still, dem Morgen zugewendet,

Deß Wiederschein von Juda’s Bergen blendet:

 

Auf grünem Plan, von Waldesnacht umgeben,

Hat Christenthum und Islam sich gefunden,

Sich Orient und Okzident verbunden

 

 

 

Am Jordan

 

...

Da, wo des Wüstenpred’gers Ruf erscholl

...

Erhoben deutsche Pilger Chorgesänge.

 

...

Und als des Glöckleins Ton zum Ohre schwoll,

Versummt der sang zum Lauschen andachtsvoll

Und leiser bebt des Baumes Laubgehänge.

 

Moslemen knien auf Teppichen daneben

...

...

 

...

...

...

Das todte Meer

 

I.

 

Ernst und langsam nach demselben Becken

Jordan’s Wellen und wir Pilger zogen.

Sprünge klaffen, die sich kreuzend strecken

Auf der Eb’ne, kahl und ausgesogen.

 

Salzeskrusten sind die bunten Flecken,

Deren Schmelz den fernen Blick betrogen;

Staub, den uns’rer Pferde Hufe wecken,

Fällt zurück in trägem, nied’rem Bogen.

 

Nirgend Leben! Nirgend ein Verweilen!

Über Phasga fliehen Wolkenschatten,

Rastlos selbst die Wüstengeier eilen. –

 

Schweigend lenkten wir den Trab, den matten,

Dieses Thal entlang der Oed’ und Leere

Ferner Bläue zu, - dem todten Meere

 

 

Das todte Meer

 

I.

 

Langsam, mühsam nach demselben Becken

Jordans Wellen, nordsche Wandrer zogen;

Schründe klaffen, die sich kreuzen, strecken

...

 

...

Deren Glanz den fernen Blick betrogen,

...

...

 

...

...

...

 

Dies Thal entlang der Oed und Leere

Lenkten schweigend wir den Trab, den matten,

Blauem Schimmer zu – dem todten Meere.

II.

 

Dies das Wellengrab der sünd’gen Städte,

Die der Herr mit Rachefeuer strafte,

Das ein Paradies von hinnen raffte –

Todter Flut zum traurig-öden Bette!

 

Eh’ es grünt an dieser Uferstädte,

Ist das Rohr zersetzt, verdorrt am Schafte.

Ringsum Baumskelette, massenhafte,

Wie aus Knochen eine grause Kette!

 

Keine Barke noch den See durchschiffte,

Und kein Fischlein trank von seinem Gifte;

Naht, von seinem Blau gelockt, geblendet

Auch ein Vogel, - rasch den Flug er wendet.

 

Felsen, ausgebrannt und vielgespalten,

Ernste Wacht am Wassersarge halten. -

 

 

 

II.

 

...

...

...

Todgetränkter, stxg’scher Flut zum Bette!

 

Eh’s noch grünt an dieser Uferstätte,

Ist das Rohr verdorrt, zersetzt im safte,

Was der Sturm, der Gischt zur Stelle schaffte,

Gleicht aus Knochen einer grausen Kette.

 

...

Noch kein Fischlein trank von seinem Gifte,

Keinen Vogel hat sein Blau geblendet.

 

Felsen, ausgebrannt und viel gespalten,

Ernste Wacht am Wogensarge halten,

Wer ihm nahte, hat sich rasch gewendet.

Hagar.

                1. Mos. 21

 

Der Frühtau fiel; es lag noch auf den Weiden

Die Dämm’rung, als sich Abraham erhob.

Es müht und sputet sich der Greis, als ob

Es gälte, von der fetten Trift zu scheiden.

 

Mit Wasser füllt’ er seinen Schlauch und schob

In einen and’ren Brot, belud mit beiden

Die Magd, die seinen Herd nun sollte meiden,

Sie, die ihm einst des Lagers Freuden wob.

 

Er führt sie mit dem Knaben vor die Schwelle

Und heißt sie geh’n und nimmer wiederkehren; -

Sein Wort war hart, sein Auge thränennaß.

 

Vorüber an den Zelten eilt sie schnelle,

Dann schwankt und sinkt die Arme, heiße Zähren

Vergießend in des Schmerzes Übermaß.

 

 

 

Abraham

 

 

Er stand vom Lager auf, als auf den Weiden

Noch Frühtau lag und graue Dämm’rung wob;

Was müht und sputet sich der Greis, als ob

Es gälte, von der fetten Trift zu scheiden?

 

...

In einen andern Brot, und gab die beiden

Der Magd, und hieß sie rasch den Knaben kleiden,

Der einst sein Herz in Vaterfreuden hob.

 

Und Kind und Mutter führt er vor die Schwelle

...

Was, Alter, gleißt dein Auge thränennaß?

 

Entlang die Zelte schwankte Hagar schnelle,

Zusammen bricht sie fern, in heißen Zähren

Ergießt sich ihres Schmerzes Uebermaß

Jacobs Begräbnis

                1. Mos. 50.

 

Von Jordan’s Ufer rauschte heft’ge Klage;

Des Flusses Wogen wälzten sie ins Meer,

In’s stille, todte Meer; gewaltig, hehr

Zum Himmel drang sie sieben lange Tage. -

 

Aufhorchte Canaan, erstaunt und zage,

Und wähnte drüben ein versammelt Heer

Und schaute Reiter, Wagen, Schild und Speer

Und Volk, geschaart um eine große Trage. -

 

Im Vätergrab den Vater zu begraben

Zog Josef aus, hinauf nach Canaan;

Egyptens Fürsten das Geleit’ ihm gaben.

 

Bei Atad auf der Tenne hielt der Zug;

Da hob das letzte große Klagen an,

Bevor man Jacob gegen Mambre trug.

 

 

 

 

Moses

                Mos. 34.

 

Der Führer schied von Israel, den Stab

Jehova’s in der Hand; nicht Trank, nicht Speise,

Auch Knechte nicht verlangt er für die Reise,

Von der für ihn es keine Rückkehr gab.

 

Die Kniee schwanken, oftmals setzt er ab

Und blickt in’s Thal zurück; es beben leise

Die Lippen, manche Thräne rollt dem Greise

Die braunen Wangen und den Bart hinab. –

 

Er schaut der Väter Land von Nebo’s Rücken.

Die Arme hebt ihm wachsendes Entzücken,

Mit Sehnsucht blickt er auf den Jordan nieder.

 

Wie strahlend Feu’r ist seiner Augen Schein,

Er beugt sich vor und hält den Athem ein, -

Er sinkt nach vorn’ und athmet nie mehr wieder.

 

 

 

Moses III.

 

 

...

Jehova’s in der Hand; nicht Trank noch Speise,

Noch Knechte nahm er mit auf diese Reise,

...

 

...

Und blickt ins Thal; die Lippen beben leise

Und Trän’ auf Träne rollt dem Heldengreise

Die braunen Wangen und den Bart herab.

 

...

...

Mit Sehnsucht späht er nach dem Jordan nieder.

 

Ein Feuerstrahl ist seiner Augen Schein,

...

Und sinkt nach vorn und hebt sich nimmer wieder.

Einzug ins gelobte Land

                Jes. 3.

I.

 

Horch’ auf, horch’ auf und zitt’re Canaan!

Jehova’s Heer, in Wüsten großgezogen,

Das an der Felsen Marmorbrust gesogen,

Es naht, sein reiches Erbe tritt es an.

 

Die gold’ne Bundeslade schwebt voran,

Der freudig Priesterschultern sich gebogen,

Und hinterher des Volkes Drängen, Wogen

Nach Stämmen und Geschlechtern, Mann an Mann!

 

Sie dürsten nach dem Schatten deiner Palmen,

Nach deinen Bronnen, schönes Jordanthal!

Und nach dem Brot aus deinem vollen Halmen.

 

Die Waffen leuchten hell im Sonnenschein

Und in den Jubelsang, Trompetenschall

Fällt mächt’ger rauschend auch der Jordan ein.

 

 

 

Einzug ins gelobte Land

 

I.

 

...

Jehova’s Volk, in Wüsten großgezogen,

...

Sein reiches Erbe tritt’s gewaffnet an.

 

...

...

...

...

 

...

...

...

 

Von Waffen glitzerts dreist im Sonnenschein,

In Sang und Cymbelklang und Hörnerschall

Mit stolzen Fluthen fällt der Jordan ein.

II.

 

Die unaufhaltsam vor zum Jordan drangen,

Gebieten ihrer Sehnsucht kurzen Halt

Und schlagen Lager hier, im Palmenwald, -

Zu herrlich ist des Stromgeländes Prangen!

 

Ihr Eigen ist, wornach sie immer langen,

Das Land der süßen Rast für immer bald;

Was sproß’t und blüht und duftet mannigfalt,

Wird reif für sie vom Ast und Halme hangen.

 

Sie schütteln nun für immer von den Schuhen

Den Wüstenstaub und salben sich und ruhen

Und wandeln Jordan’s Wellenbett entlang.

 

Die schlanken Mädchen schließen froh den Reigen,

Der Sänger nimmt die Harfe von den Zweigen,

Jehoven gilt sein Dank- und Preisgesang!

 

 

 

II.

 

Die mit der Sehnsucht Schritten vorwärts drangen,

Gebieten ungestümer Eile Halt

...

...

 

Ihr eigen ist, so weit die Blicke langen,

...

...

...

 

...

...

Und wandeln Jordans Wellenbahn entlang.

 

...

...

...

III.

 

Ganz Israel zum Kampf gerüstet fand

Der früh’ste Strahl. Auf ihre Schulter heben

Die Priester Gottes Lad’ an goldnen Stäben

Und schreiten vor, dem Jordan zugewandt.

 

Sobald ihr Fuß im Vorderwasser stand,

Durchzuckt die Wogen all’ ein großes Beben;

Sie gähren, trinken, stauen und erheben

Aufkochend sich zu hellkrystall’ner Wand.

 

Und was sich nicht gethürmt zum Wasserdamm,

Fließt ab, und keine Flut geronnen kam,

So lang’ im Strombett blieb die Bundeslade.

 

Hindurch zieht Israel mit trock’nen Sohlen

Und jauchzt dem Gott der Väter, der befohlen,

Daß Wogen weichen seines Volkes Pfade.

 

 

 

III.

 

...

...

...

...

 

...

...

...

Gewaltig sich zu hellkrystallner Wand.

 

Was sich zum Wasserdamm nicht thürmen kann,

Fließt ab, undkeine Weller fürder rann,

So lang im Rinnsal hielt die Bundeslade.

 

...

...

...

Kaleb zu Josua:

                Jos. 14.

 

„Gib Hebron mir, mein Erbtheil und mein Eigen,

Das Gott durch Mosis Mund mir zugedacht,*

Als Kunde wir in Jacobs Zelt gebracht

Und schwere Frucht von hier an Ast und Zweigen.

 

Ich sprach von Land und Volk und Heeresmacht,

Wie ich’s versdtand, ohn’ etwas zu verschweigen;

Die Zehn, die mit uns waren, o, die Feigen!

Die hatten damals falsche Mähr’ erdacht. –

 

Ich bin schon nah’ an fünfundachzig Jahren,

Und dennoch fühl’ ich Kraft in Arm und Lenden,

Mein Erbgut zu erstreiten und zu wahren.

 

Die mit uns zogen aus Egyptens Reich,

Sie Alle mußten in den Wüsten enden;

Nur ich und Du!... Es wird um’s Herz mir weich.“

 

 

 

Kaleb verlangt von Josua Hebron

 

 

...

...

...

...

 

Wie wir verkundschaft Land und Heeresmacht,

So sprachen wir, ohn’ etwas zu verschweigen,

Die andern Zehn – du weißt wie diese Feigen,

Das Volk zu schrecken, falsche Mär erdacht.

 

Ja sieh, schon denk’ ich mehr als achtzig Jahre

Und dennoch reicht die Kraft in Arm und Lenden,

Daß mir das Schwert mein Erb’ erstreit und wahre.

 

...

Ach, alle mußten in den Wüsten enden,

...

Josua.

                Jos. 24.

 

Die Waffen ruh’n, und Jacobs Söhne schlagen

Die Friedensharfe. Josua ist alt;

Nur einmal noch sein Führerruf erschallt,

Von Sichem aus, zu einem großen Tagen.

 

Und all’ die Stämme seh’n den Helden ragen

Hochaufgerichtet unter einem Wald

Von dunklen Terebinthenzweigen; bald

Ergeht an alles Volk dies ernste Fragen:

 

„Wollt mit Jehoven ihr den Bund erneuen? –

Wenn nicht, so wählet! Ich mit meinem Haus,

Ich bleib’ Jehova’s Knecht in Furcht und Treuen.“

 

Da brach das Volk in hehren Jubel aus.

Der greise Sieger grub den Schwur in Stein

Und trug ihn in das Buch der Satzung ein.

 

 

Josua erneuert den Bund

 

 

Die Waffen ruhn, die Söhne Jacobs schlagen

...

...

...

 

Dort sehn die Tribus ihren Helden ragen,

...

Von Terebinthenzweigen, und alsbald

Ergeht an alles Volk sein ernstes Fragen:

 

„Wollt ihr, daß ich für euch den Bund erneue?

Wenn nicht, so wählt! Doch ich mit meinem Haus

Verbleib’ Jehova’s Knecht in Furcht und Treue.“

 

Als Antwort brach ein hehrer Jubel aus;

...

...

 

 

Jephta

                Richt. 11.

 

I.

 

Dem Sieger Heil! Ihm jauchzt das ganze Heer.

Besiegt sind Amon’s Horden und zerstoben;

Das stolze Horn, das drohend sich erhoben,

Das brach Jehova’s Held mit starker Wehr!

 

Auf, Jephta naht! Kein Feind, kein Bangen mehr!

Und alles Volk will seinen Retter loben

Und strömt herbei mit freudiglautem Toben

Aus Haus und Stadt, von Feld und Garten her.

 

Als Jephta kommt vor seines Hauses Thür,

Da hüpft und tanzt und jubelt seine Maid,

Sein einzig Kind, sein schönes Kind herfür.

 

Da faßt den Vater Weh und tiefster Gram,

Sein Haar zerrauft er und zerreißt sein Kleid:

„Mein Kind, mein Kind des Schwures Opferlamm!“

 

 

 

 

II.

 

Ergeben sprach die Maid, mit starker Seele:

„Was du gelobt, das soll an mir geschehen.“

Und kindlich froh ihr Kommen blieb und Gehen,

Daß ja kein Vorwurf ihren Vater quäle.

 

Doch floh sie auf’s Gebirg zu stummen Rehen,

Daß sie vor Menschen ihren Schmerz verhehle,

Und daß kein Aug’ die heißen Thränen zähle;

Und Niemand sollt ihr’ Antlitz welken sehen.

 

„Der Rose gleich, aus deren reinem Schooße

Erblüht kein schön’res Leben, muß ich sterben!

Auf wen kann Jephta’s Name sich vererben?“ –

 

Nach Monden kehrt mit ihrem dunklen Loose

Versöhnt die Jungfrau heim; sie prangt verklärt

Und folgt, ein willig Lamm, zum Opferherd. -

 

 

 

Jephta’s Tochter

 

...

...

Und heiter blieb ihr Kommen und ihr Gehen,

Auf daß kein Vorwurf ihren Vater quäle.

 

Und niemand sollt’ ihr Antlitz welken sehen;

Und daß vor Menschen sie den Schmerz verhehle,

Und daß die heißen Thränen Keiner zähle,

Gesellt sie sich im Walde stummen Rehen.

 

...

Kein schönres Leben sproßte, muß ich sterben,

Und Jephta’s Ruhm, er findet keinen Erben.“

 

Jungfräulich Opfer, deinem dunklen Loose

Entquillt ein Glanz, dich ewig zu verklären,

Wer dächte dein und hemmte stille Zähren?

Samuel

                1. Kön. 12.

 

Sein mächtig Wort ließ Samuel erschallen

Durch’s ganze Land von Dan bis Beerscheba.

Er sprach, als er das Volk versammelt sah:

„Mein Richteramt wollt’ euch nicht mehr gefallen.

 

ihr seht, den ich gesalbt, in Purpur wallen

Als König, den Jehova sich ersah:

Wohlan! Ich steh’ ein Greis und kraftlos da

Vor dem Gesalbten, vor euch Männern allen.

 

So zeuget wider mich und tretet vor!

Wer findet unrecht Gut in meinen Händen?

Ließ durch Geschenk mein richtend Aug’ sich blenden?

Klagt Blut mich an? Lieh Schmeichlern ich mein Ohr?“ –

 

Da rief das Volk: „Wir alle zeugen hier:

Es ist kein Fehl und keine Schuld an dir!“

 

 

 

Samuel

 

 

...

...

Und sprach zum Volk, geschaart aus fern und nah

Dem längst nicht mehr sein Richterstab gefallen:

 

„Seht hier, den ich gesalbt, in Purpur wallen,

Der König ist#s, den Gott euch ausersah;

Ihm beug ich mich und Rede steh’ ich da,

Ehvor ich scheid’, euch Männern, Weibern, Allen.

 

Wer findet unrecht Gut in meinen Händen?

Ließ jemals sich mein richtend Auge blenden?

Klagt Blut mich an? Lieh Schmeichlern ich mein Ohr?

 

Du herrschest, Priester! Tritt kein Kläger vor?

Das gute Volk! es ruft: „Wir zeugen hier,

...

Saul

                1. Kön. 28.

 

Vom König war der Geist des Herrn gewichen,

Kein Traum, kein Opfer gab ihm Kunde mehr;

Ihm drückte finst’rer Gram die Seele schwer,

Und Zorneslohen seine Blicke glichen. –

 

Am Tabor ist, am Hermon schon verblichen

Der Sonne Strahl, und zahllos, Speer an Speer,

Kommt näher über Edrelon das Heer

Der Philistäer durch die Nacht geschlichen. –

 

Saul tritt gebeugt in’s Haus der Zauberin,

Daß sie ihm des Propheten Geist beschwöre,

Der einst erhöht, gesalbt zum König ihn.

 

Und Samuel erscheint, und zum Gehöre

Wie Donner dringt das Wort: „Die Söhne dein,

Und du, ihr werdet morgen bei mir sein!“ -

 

 

 

Saul

 

 

...

...

Auf seiner Seele lag’s gewitterschwer

...

 

...

...

...

...

 

Wo weilt doch Saul? Berief er seinen Rath,

Daß er der Helden kühne Pläne höre?

Entflammt sein Wort die Zagenden zur Tat?

 

Er schleicht gebeugt in’s Haus der Zauberin,

Daß ihm der Geister Hülfe sie beschwöre,

Da längst verlassen Muth des Mannes ihn.

David’s Klagelied um Saul und Jonathan.

                2. Kön. 1.

 

„Nicht Thau erquick euch fürderhin, noch Regen,

Nicht Erstlingsfrüchte soll’t ihr ferner tragen!

Weh’ euch, ihr Berge Gilboa’s! Erschlagen

Ist Jacob’s Hort! Dahin die stolzen Degen!

 

O haltet fern die Kunde von den Wegen

Nach Gath uns Askalon! Die Harfen schlagen

Des Feindes Töchter sonst bei Festgelagen

Und tanzen all’ dem Siegesheer entgegen.

 

Wehklaget, Töchter Israel’s! Wehklaget,

Die ihr den goldbesäumten Purpur traget, -

In Blutespurpur liegt der König jetzt.

 

Auch du nicht mehr, mein Schutz und meine Zier?!

O Jonathan, so viel war deine Liebe mir,

Daß keine Frauenliebe sie ersetzt!“ -

 

 

 

Davids Klage um Jonathan

 

 

...

...

...

...

 

...

...

...

...

 

...

Die goldbesäumte Purpurwat ihr traget,

...

 

...

O Jonathan, kein liebend Weib ersetzt,

Was du mir warst, was deine Freundschaft mir!

Modin

 

Sieh’ jenen Berg, gekrönt mit Mauerresten,

Zum Thal der Terebinthen abgedacht,

Wo David’s Schleuderhand zu Fall gebracht

Den Gottesläst’rer einst, der Kämpfer Besten!

 

Die Trümmer haben großer Todten Acht,

Der Eiferer des Rechts, der Glaubensvesten –

Des Makkabäerstamms mit seinen Ästen

Der Jacob’s letzten Heldenmuth entfacht.

 

Eh’ zu den Vätern er versammelt ward,

Sprach Mathathias tröstend noch im Sterben:

„Ihr Treuen all#! vertrauet meinen Erben,

Den Söhnen mein, und bleibt um sie geschaart;

 

Denn Simon ist ein Mann von klugem Rath,

Und Judas ist ein Eisenmann der That.“

 

 

 

 

Johannes

                Luc. 3.

 

Der Wüsten durch und Fluß entlang die Lande

Durchzog, dem Heiland ebnend seine Wege,

Gerad’ anbahnend, was noch krumm und schräge, -

Es sprach der Mann im härenen Gewande:

 

„Kein Purpur, König! deckt die Sünd’ und Schande,

Daß mit dem Weib des Bruders Umgang pflege

Der Bruder.“ – Und Herodis Zorn ward rege,

Er warf den Bußeprediger in Bande. –

 

Der König schwelgt, es schwelgt die Höflingsschaar;

Der Buhle Tochter tanzt, das Haar umlaubt,

Die trunk’nen Sinn’ umstrickend ganz und gar.

 

Das Mägdlein fleht, der König nickt und spricht;

Der Diener eilt und bringt – Johannis Haupt

Ihm dar als letztes, blutiges Gericht. -

 

 

 

Johannes

 

 

Der wüstendurch und stromentlang die Lande

...

...

Der Eifrer sprach in härenem Gewande:

 

...

Du drangst in deines Bruders Hausgehege...

Genug, des Idumäers Zorn ward rege,

...

 

Der König schwelgt mit seiner Höflingsschaar,

...

Den trunknen Sinnen schmeichelnd ganz und gar.

 

Sie heischt den Lohn – Herodes wehrt ihr nicht,

Ein Diener eilt und bringt Johannis Haupt

Ihr dar als letztes, blut’ges Festgericht

 

Der Jacobsbrunnen

                Joh. 4.

 

Am Bronnen, der schon Jacob’s Herde tränkte,

Verweilte Jesus müd’, entließ die Schaar

Der treuen Jünger, die, da Mangel war

An Mundbedarf, die Schritte stadtwärts lenkte.

 

Da kam ein samarithisch Weib, versenkte

Den Eimer, füllt den Krug und reicht ihn dar;

Doch süß’re Labung ihr der Heiland schenkte,

Des Lebens Born erschließend wunderbar.

 

Er lehrt im Geist sie beten, in der Wahrheit

Zu Gott, der so die ganze Welt als Geist

Wie Morija, die Tempelhöh’, umkreist. –

 

Versiegt ist und verschüttet Jacob’s Bronnen,

Jedoch der Quell, der hier dem Weib geronnen,

Fließt fort und fort in ungetrübter Klarheit. -

 

 

 

 

Bethania

 

Oase auf des Heilands Wüstenwegen!

Bethania, süße Einkehr, Wanderrast

Des Herrn der Welt, der als der Erde Gast

Nicht nannte sein, worauf sein Haupt zu legen!

 

Wie freudig eilt Ihm Lazarus entgegen!

Wie hat Ihn zu bewirthen Martha Hast!

Und ihrer selbst vergißt Maria fast,

Bedacht, Sein Wort dem Herzen einzuprägen!

 

Ihr ward der beste Theil aus Seinem Munde. –

Sei mir gegrüßt! Ich dank’ in später Stunde

Bethania dir, noch in Ruinen traut.

 

Du warst dem Heiland treugesinnt und gut,

Der hier im Schooß der Freundschaft ausgeruht

Und hier ein stilles Menschenglück geschaut.

 

 

 

Bethania

 

...

Bethania, du warst die Wanderrast

...

...

 

...

...

...

...

 

Dein Name klingt wie ferner Lieben Kunde,

Sei warm gegrüßt in später, flüchtger Stunde

Bethania, noch in Ruinen traut!

 

...

...

Und still sein Werk .- ein Menschenglück geschaut.

Jerusalem

 

Ich stieß, ein Pilger, von Italiens Küste

 

Ich stieß, ein Pilger, von Italiens Küste,

Ein zartes Saitenspiel in meiner Hand;

Mich zog ein hohes, freudiges Gelüste

Zur Stätte, wo das Kreuz der Sühnung stand.

 

O Tag, da ich Jerusalem begrüßte,

Das Felsengrab im hehren Lichterbrand,

Den heil’gen Staub mit brünst’gen Lippen küßte

Und Thränen nur als Zoll der Andacht fand!

 

Aus allen Zonen knie’ten Pilgerschaaren,

Die reuigfromm das Haupt zur Erde neigten;

Des Einen Christenstamms, des vielverzweigten,

Getrennte Reiser all’ vereinigt waren.

 

in allen Sprachen, welche je erklungen,

Ward hier des Graberstand’nen Ruhm gesungen!

 

 

 

 

 

Ich stieß, ein Pilger, von Italiens Küste,

 

...

...

...

Zur Stätte, wo das Kreuz der Sühne stand.

 

O hehrer Tag, da Salem ich begrüßte,

Das Felsengrab erspäht’ im Lichterbrand,

...

...

 

Hier war’s, wo noch in frommer Pilger Schaaren

Des Einen Christenstamms, des vielverzweigten,

Getrennte Reiser all vereinigt waren.

 

Von Allen, die das Haupt zur Erde neigten,

In allen Zungen, die bislang erklungen,

...

Nur eine Nacht in stiller Tempelrunde

 

Nur Eine Nacht in stiller Tempelrunde,

Auf Golgatha, dem Felsensühnaltar!

Der Andachtschauer macht, der Ernst der Stunde

Dir das Geheimnis der Erlösung klar.

 

Die Reue strömt aus jeder Seelenwunde,

In ganzer Blöße stellt der Mensch sich dar;

Und doch, aus der Versöhnung froher Kunde

Entquillt Genesung mild und wunderbar.

 

Es bebt der Fuß, in’s Marmorgrab zu treten,

In’s Heiligste des Heiligthums; zu beten

Die Lippe selbst in tiefster Stille zagt.

 

Du träumest selig an des Grabes Stufen,

Bis wach dich ernste Möncheschöre rufen,

Und durch das Tempelthor der Morgen tagt.

 

 

 

In der Grabeskirche

 

Nur eine Nacht in weiter Tempelrunde,

...

...

...

 

...

...

Doch des Versöhnungstodes froher Kunde

...

 

Dein Fuß, er bebt, in’s Marmorgrab zu treten,

Im Heiligsten des Heiligthums zu beten

Die Lippe selbst in hehrster Stille zagt.

 

Du schlummerst selig an des Grabes Stufen,

...

...

Via Dolorosa

 

Dort schrie der feile Pöbel: “Kreuzigt Ihn!”

Hier wusch der Römer heuchelnd seine Hände, -

Da floß der edlen Frauen Mitleidspende, -

Die Mutter schaut’ Ihn hier, die Dulderin:

 

Das ist der Weg, und Golgatha sein Ende,

Den mit dem Kreuze Christus mußte zieh’n!

An tausendjähr’gen Malen zieht sich hin

Die schmerzlichste, die heiligste Legende. –

 

Wenn über euch die bleichen Sterne schweben,

Die vom Verrätherkuß euch Kunde geben,

Und ihr kein fremdes Athmen rings verspürt:

 

Dann wandelt diesen Weg, den Er geschritten,

Der an dem Kreuz den Opfertod erlitten, -

Es bleibt ein steinern Herz nicht ungerührt.

 

 

 

Die via dolorosa

 

Dort schrie die feile Menge: “Kreuzigt Ihn!”

Und wusch der Römer frevelnd seine Hände,

Hier floß der edlen Frauen Mitleidsspende,

Hier sah die Mutter Ihn, die Dulderin.

 

Dies ist der Weg, und Golgatha sein Ende,

Den Jesus mit dem Kreuze mußte ziehn!

An tausenjährgen Malen rankt sich hin

...

 

...

...

...

 

...

...

...

 

Blinde Gäule

 

Ich bog vom “Leidensweg” in eine Gasse,

Die mit dem Thore gen Damaskus mündet;

Ob Lärm die Nähe des Bazars verkündet,

Nur selten wogt durch sie die Menschenmasse.

 

Den Mühlstein treiben Gäule, hungerlasse;

Ihr Traben ist mit stäter Nacht verbündet,

Kein Strahl je wiederum ihr Aug’ entzündet, -

Zu seh’n, wie trostlos ihre dunkle Straße.

 

Derselbe Kreis, vollendet tausendmal! –

Ich rief, emporgeschreckt zu ernstem Sinnen:

Vater des Lichts! Wird’s Nacht in mir tiefinnen,

 

Belehre mich durch Einen Gnadenstrahl,

Ob ich in meinem Forschen, Streben, Lieben

Nicht vorwärts drang, nur einen Kreis beschrieben?!“

 

 

 

 

Die Oelbäume in Gethsemane

                Marc. 14.

 

„Wir sah’n den Fall Jerusalem’s, das Feuer,

So jenes Tempels Wunderbau verzehrte;

Als Rot die Mutter mit dem Beil bewehrte,

Des Kindes nicht zu schonen, ihr so theuer:

 

Da bebten wir, der Schmerz war ungeheuer. –

Seldschuken ras’ten mit dem Siegesschwerte,

So oftmals die Zerstörung wiederkehrte,

Durchzuckte unser Mark ein Schmerz, ein neuer.

 

 

Doch keiner glich dem tiefsten Mitgefühle,

Als einst der Heiland in der Abendkühle

Den größten Seelenkampf hier ausgestritten.

 

Wir steh’n als jener Stund’ uralte Zeugen,

Wir sah’n ihn blutend sich zur Erde beugen

Und ahnten leise wohl, was er gelitten.“

 

 

 

Die Oelbäume im Gethsemane

 

 

...

Das jenes Tempels Wunderbau verzehrte,

Die Not, so Mütter mit dem Beil bewehrte

Zu schlachten, was dem Schooß und Herzen theuer:

 

Uns schauderte, das Weh war ungeheuer;

Und als seldschuken rasten mit dem Schwerte,

Als Feuer, Pest und Hunger wiederkehrte,

Da schnitt durch’s alte Mark ein Schmerz, ein neuer.

 

Doch keiner glich dem tiefern Mitgefühle

Zur Zeit, als Jesus in der Abendkühle

...

 

...

...

Und litten bebend mit, was er gelitten.

Thal Josaphat

 

O Thal des Schweigens, tiefgefurchtes Tal

Der Schatten, Gräbertal! Wann wird es tagen?

Wann wird der Herr nach Jedes Thaten fragen,

Die Gräber öffnen der Posaunen Schall? –

 

Am steilen Abhang liegen Mal an Mal;

Ich beb’ und meine Füße hemmet Zagen.

Was hast du, Stein! vom Jenseits mir zu sagen?

Dich stört doch nicht der Schritte Widerhall?!

 

Ihr starrt mich, off’ne Grabeshöhlen, an.

Wer hat den Schlußstein frech hinweggerissen?

was droht ihr mir mit eu’ren Finsternissen? –

 

„Hier ruht“ – so sprecht ihr klar zum Pilgersmann –

„Ein Volk und eine glänzende Geschichte;

O sinne nach dem strengen Weltgerichte.“

 

 

 

Das Thal Josaphat

 

...

...

Wann zu des Weltgerichtes großem Fragen

...

 

...

Die Schritte hemmt ein ehrfurchtvolles Zagen,

Ein ernstes Wort hat jedes Grab zu sagen,

Des Lebens Hochflut stockt an seinem Wall.

 

...

Der frech den Schlußstein hat hinweggerissen,

Verfiel wohl selbst schon euren Finsternissen.

 

Ein kleines Thal, kann’s Größeres umfahn?

Hier ruht ein Volk mit glänzender Geschichte,

Hier weh’n die Schauder kommender Gerichte.

Der Oelberg

                Matth. 23 und 24. Luc. 19.

 

„O welche Steine, Meister! Welch’ ein Bau!“

Des Tempels Anblick macht die Jünger trunken;

Doch Christus spricht, in Traurigkeit versunken,

Sein Auge füllt des Mitleids Thränenthau:

 

„O welch’ ein Greu’l, den ich im Geiste schau’!

Kein Stein wird einstens ob dem andern prunken,

Schon hegst du jetzo der Zerstörung Funken

Und öde wirst du werden, wüst’ und rauh!

 

Jerusalem, Prophetenmörderin!

Wie oft hab’ ich die Flügel ausgespannt

Der Henne gleich, die ihre Kücklein schützt!

 

Du aber steinigst, die zu dir gesandt,

Du willst nicht unter meinen Fittig flieh’n, -

Du hast die Zeit des Heiles nicht benützt!

 

 

 

Vom Oelberg

 

 

...

...

...

Vom Auge träuft des Mitleids Thränenthau:

 

„O weh des Greuels, den im Geist ich schau’!

Schon jetzo hegst du der Verheerung Funken,

Bald wird kein Stein mehr ob dem andern prunken,

Verödung heißt dein Antlitz, wüst und rauh.

 

...

Hab ich nicht oft die Flügel ausgespannt

Der Henne gleich, wenn sie die Kücklein schützt?

 

Du willst nicht unter meinen Fittich fliehn,

Du steinigst, die von Gott zu dir gesandt,

Des Heiles Frist, du hast sie nicht benützt.“

Palmsonntag

 

Der Patriarch belehnt mit Palmenzweigen

Die nordentsproßne Pilgerschaar, die kleine,

Die, eingehüllt von gold’ner Ampeln Scheine,

Das Grab umstand, in Schau’n vertieft und Schweigen.

 

Doch als wir geh’n um’s Felsenmal den Reigen,

Da stählet Mut, Begeist’rung die Gebeine,

Und „Hosianna“ lassen im Vereine

Wir auf zum kuppelrund des Tempels steigen.

 

Und mächt’ger schallt das Hosiannarufen,

Und grünen Schwertern gleichen uns’re Palmen,

Und Kriegern wir, und krieg’risch rauschen Palmen. –

 

Als Petrus schlief an diesen kalten Stufen,

War’s solch’ ein Traum, durch den sein Mut entbrannte,

Daß er das Abendland zum Kampf entsandte?

 

 

 

 

Wer unter euch ohne Sünde ist

                Joh. 8.

 

Die Pharisäer schleppten in die Mitte

Des Tempels vor die Ehebrecherin

Und wandten sich mit heikler Frag’ an Ihn,

Auflauernd, ob Er Mosen widerstritte:

 

„Das Weib zu stein’gen heischet Recht und Sitte;

Was meinst Du, Rabbi! sollen wir’s vollzieh’n?“

Doch ruhig grub in Sand er Zeichen hin,

Bis Jene wiederholt die Heuchlerbitte.

 

Dann sich erhebend spricht Er, gottdurchleuchtet:

„Wer unter euch sich ohne Sünde deuchtet,

Der werf’ auf dieses Weib den ersten Stein.“

 

Und schamrot schleicht davon die Gleißnergilde.

Zum Weibe spricht der Herr voll Himmelsmilde:

„Geh’ heim! Und lebe fürder sündenrein!2

 

 

 

 

Denn sie hat viel geliebt

                Luc. 7.

 

Zum Mittagsmahle lud den Herrn mit süßen,

Arglist’gen Worten einer einst von Jenen,

Die sich gerecht vor Gottes Augen wähnen

Und geizen nach des Marktes Gunst und Grüßen.

 

Da wirft ein Weib dem Heiland sich zu Füßen,

Benetzet sie mit ihren heißen Thränen

Und trocknet sie mit ihres Haares Strähnen

Und salbt und küsset sie mit brünst’gen Küssen.

 

Der Pharisäer denkt: Wär’ ein Prophet

Mein Gast, so wüßt’ er, daß ein sündhaft Weib

Ihm naht’ und stieße sie von seinem Leib.

 

Der Heiland spricht, der Aller Herz durchspäht:

„Ihr wird, die viel geliebt, auch viel vergeben“ –

Und spricht zum Weib: „Du sollst in Frieden leben.“

 

 

 

Magdalena

 

 

Zum Mahle lud den Heiland einst mit süßen,

Mit Gleißnerworten Einer auch von Jenen,

...

...

 

Da warf ein Weib dem Meister sich zu Füßen,

...

...

...

 

Argwöhnt der Wirth: Hm, ist mein Gast Prophet,

So weiß er, daß ihm naht ein sündhaft Weib,

Was stößt er sie nicht gleich von seinem Leib?

 

Spricht Christus, der sein faules Herz durchspäht:

...

Und sagt zum Weib: „Du sollst in Frieden leben.“

Mein Haus ist ein Bethaus

                Matth. 21

 

Hinan die Stufen zu den Tempelhallen

Der Heiland steigt, im Antlitz Frieden, Milde;

Der Abglanz Gottes an dem Menschenbilde,

Bewundrung weckt er, Ehrfurcht, Wohlgefallen.

 

Doch welches Lärmen, Durcheinanderschallen

Erfüllt Jehova’s Haus? was soll der wilde,

Geschäftigheis’re Schrei der Wechslergilde,

Das Feilschen, Tiergeblök, die Warenballen?

 

Und sieh’, der Herr ergrimmt und langt nach Stricken

Und jagt die Frevler, endend das Gezänke,

Hinaus zum Tempel, stürzt die Tische, Bänke

Und ruft mit Donnerstimme, Zornesblicken:

 

„Geschrieben steht: „„Ein Bethaus ist mein Haus!““

Ihr machtet eine Mördergrube d’raus.“

 

 

 

 

 

 

 

 

Der Friedenskönig kommt herangezogen

                Matth. 21.

 

Der Friedenskönig kommt herangezogen,

Jerusalem, empfange David’s Sohn!

Der Rücken eines Füllens ist sein Thron,

Und Palmen neigen sich zum Siegesbogen.

 

Die Siegeskunde ist vorausgeflogen;

Es rauscht und strömt aus allen Pforten schon,

Vom Tempel widerhallt der Jubelton,

Im Thalbett stauen sich des Volkes Wogen.

 

Und Festgewande breiten auf den Pfad,

Die ihm voraus, dem Weltbefreier, wandern,

Und grüne Reiser streuen hin die Andern.

 

Die Menge ruft, es ruft die Sion-Stadt:

Dein König, Israel! er kommt, der Hehre!

Dem Gottgesandten Preis und Ruhm und Ehre!

 

 

 

Der Friedenskönig

 

 

...

...

...

...

 

Die Freudenbotschaft ist vorausgeflogen,

Es rauscht und strömt aus allen Thoren schon,

...

...

 

...

Die weit voraus dem Weltbefreier wandern,

...

 

...

...

...

Einzug der Schismatiker

 

Was wogt und toset durch der Gassen Enge?

Ei, sieh’ doch! Männer, Weiber, Kinder, Greise!

Sie schleppen Betten, Krüge, Trank und Speise,

Und wildbegeistert brau’st und ras’t die Menge!

 

In Pelzen Die – beherrscht des Czaaren Strenge,

Und Jene zeigen heit’re Griechenweise,

Vom schönen Euphrat machten Die die Reise; -

Den bärt’gen Popen weichet das Gedränge.

 

Und auf des Tempels-Vorplatz stürzen Alle,

Und Alle münden in die Grabeshalle –

Zurück! Ist sie ein Karawanserai?

 

Umsonst! Sie lagern sich im Tempelraum,

Daß Jeder, säumt sich noch der Osten kaum,

Des „heil’gen Feuers“ schon gewärtig sei. -

 

 

 

 

Bethseba

                2. König. 11

 

Jerusalem, das schlummernde zu wecken,

Die Sonne hell vom Oelberg niedersah:

Der stolze Tempel prangt auf Morija,

Im Königsgarten glänzen gold’ne Hecken.

 

Doch schöner hebt aus kühlem Marmorbecken

Die reizevollen Glieder Bethseba,

Urias’ des Hethiters Weib. Sieh’ da,

Die Büsche zögern, solche Pracht zu decken.

 

Von hoher Zinne feiner Veste schaut

Den jungen Tag der königliche Sänger

Und schaut Urias’ Weib vom Bad bethau’t.

 

Er sinnt, wie er den treuen Knecht verderbe; -

Er sann und schrieb und zauderte nicht länger:

„Urias gib den Feinden preis, er sterbe!“

 

 

 

Bethseba

 

 

...

...

Schon glänzt die Opferhöhe Morija,

Doch in den Gärten dämmern noch die Hecken.

 

Da hebt sich weiß aus kühlen Marmorbecken,

Mit reizevollen Gliedern Bethseba,

Erlauscht der erste Strahl, denn siehe da,

...

 

Von stolzer Zinne seiner Veste schaut

...

...

 

Der König glüht und sinnt... „der Mann verderbe!“

Und sann und schrieb und zauderte nicht länger:

...

Die Königin von Saba

                3. König. 10

 

Nach Salem zog mit Knechten, Dromedaren,

Mit gold’nen Schätzen Saba’s Königin;

Und dunkler Worte viel’ erwog ihr Sinn,

In Räthseln wollt’ ihr Geist sich offenbaren.

 

Doch schwanden schnell der Nebel dichte Schaaren

Vor Solomonis lichter Weisheit hin, -

Sie ließ jedwede leise Regung ihn

Im Herzensgrund der Königin gewahren.

 

Die Fürstin staunt ob seines Hauses Macht,

Ob seiner Knechte Thun und reicher Tracht

Und ob des Tempels Majestät und Pracht:

 

„Dein Ruhm, von dem ich glaubte, daß er trüge,

Vor deiner Weisheit ist er Neid und Lüge;

Denn keine Zunge preist dich zur Genüge.“

 

 

 

Salomon und die Königin von Saba

 

 

...

Und goldnen Schätzen saba’s Königin,

Manch dunkles Wort erwog sie her und hin,

In Räthseln wollte sie sich offenbaren.

 

Doch Sonne Weisheit scheucht der Nebel Schaaren

Und deß hat König Salomon Gewinn,

Sie läßt des Weibes liebendzagen Sinn

Im Herzen ihn der Herrscherin gewahren.

 

...

...

...

 

...

...

...

Es saust ein Wettersturm von Sion aus

                4. König. 11 und 18.

 

Es saust ein Wettersturm von Sion aus

Zerschmetternd Haine, Tempel und Altäre;

Daß Racheglut den Greuel all’ verzehre,

Zuckt rothen Feuers Wuth aus dem Gebraus.

 

Der König eifert für Jehova’s Haus,

Zermalmt die Götzen mit des Zornes Schwere

Und schwingt die Axt und herrscht ihr zu: Verheere!

Und lischt den Opferbrand, das Rauchwerk aus.

 

Er kleidet neu in alte Herrlichkeit

Jehova’s Tempel und er öffnet weit

Leviten, Priestern, allem Volk das Thor.

 

Und sieh’, es hebt sich unter Psalmensang,

Trompetenschall und süßem Harfenklang

Der Hekatomben Sühnungsrauch empor! -

 

 

 

Joas

 

 

...

...

Und daß der Rache Glut den Greul verzehre,

Zückt rothen Feuers Blitz aus dem Gebraus.

 

...

...

...

...

 

Er hat auf Neu mit alter Herrlichkeit

Das Heiligthum geschmückt und öffnet weit

...

 

...

...

...

Morija

                1. Esdr. 3.

 

Auf Morija liegt siebzigjähr’ger Schutt,

Der Schutt von Salomonis Tempelhallen,

Und fernher Trümmer eines Volkes wallen

Nach Salem’s Höh’n mit reichem Tempelgut.

 

Der Altar steht, es raucht die Opferglut,

Und horch’, schon jubeln Babylons Vasallen!

Der Knechtschaft Leiden sind vergessen, Allen

Ist ja die Heimat lieb, Jehova gut!

 

Und sieh’, ein neuer Tempel will erstehen;

Die Schaaren jauchzen, die den Grundriß sehen,

In Opferfreudigkeit und Zuversicht.

 

Die Wen’gen, die des alten Pracht geschaut,

Die Greise weinen aber überlaut:

„Das ist Jehova’s altes Wohnhaus nicht!“

 

 

Rückkehr in die Heimat

 

 

...

...

Doch fernher Trümmer eines Volkes wallen

Zum heilgen Berg mit neugewecktem Mut.

 

Ein Altar steht, es rauscht die Opferglut

Und horch, schon jubeln Babylons Vasallen,

Vergessen ist die Knechtschaft, Allen, Allen

...

 

...

Die Schaaren jubeln, die den Grundriß sehen,

Vor Opferfreude, Stolz und Zuversicht.

 

Nur wen’ge, so die früh’re Pracht geschaut,

Des Volkes Greise weinen überlaut:

„Das ist Jehova’s altes Wohnhaus nicht!“

Jeremias

                Klagel. 1 und ff.

 

Wie einsam sitzt die Stadt im Wittwenharme,

Die volkesreich der Lande Fürstin war!

Die Tochter Sion’s wühlt im losen Haar,

Und schmuckberaubt, geknechtet stöhnt die Arme:

 

„Wo weilt mein Hort, entführt vom Feindesschwarme?

O nehm’t, die ihr vorüberzieht, gewahr,

Ob je ein Schmerz so groß, so rührend gar?

Wer lös’t die Fesseln mir vom Fuß und Arme?

 

Jehova brach im Sturm die heil’gen Mauern;

O seht, die Tempelswege schweigen, trauern,

Kein Priester naht zum Opfer, zum Gebet.

 

Ist dies des Erdenrundes Stolz und Wonne?

Die Herrin, strahlend in der Schönheit Sonne? –

Es schüttelt, wer mich schaut, das Haupt und geht!“ -

 

 

Jeremia’s Klage

 

 

Auf Trümmern einsam sitzt im Witwenharme,

Die, reich an Volk, der Lande Fürstin war;

...

Geschändet und gefesselt stöhnt die Arme:

 

...

O nimm, der du vorüberziehst, gewahr,

Ob je so groß ein Schmerz, so rührend gar?

Ach keiner weilt, daß mein er sich erbarme!

 

Jehova brach im Zorn die heil’gen Mauern,

Die Pfade, die um Tempel führten, trauern,

...

 

Ich hieß des Erdenrundes Stolz und Wonne,

Die Herrin, strahlend in der Schönheit Sonne –

Jetzt schüttelt, wer mich schaut, das Haupt und

    geht.“

Die Bäume wollten einen König haben.

                Richt. 9.

 

Die Bäume wollten einen König haben,

Den Oelbaum wollten sie zunächst erheben.

Der sprach: „Soll ich mein reiches Fett hingeben,

An dem die Menschen sich und Götter laben?“

 

Der Feigenbaum, der hieß sie fürbaß traben:

„Was fordert ihr von mir mein süßes Leben?

Ich mag nicht über euch als König schweben;

Zählt meine Frucht nicht zu den besten Gaben?“

 

„Ich fühle mich geehrt;“ – so sprach die Rebe –

„Doch lieb’ ich meinen gold’nen Saft und strebe

Nach Amt und Kronen nicht und bunter Zier.“

 

Der Dornbusch sprach: „Es kommt euch gut zu Statten;

Bequemt euch willig unter meinen Schatten,

Sonst geht verzehrend Feuer aus von mir.“

 

 

Joatham’s Parabel

 

 

...

Und dachten erst den Oelbaum zu erheben;

Der sprach: „Soll ich mein mildes Fett hingeben,

...

 

...

...

Mich lüstet wenig über euch zu schweben,

...

 

...

...

Nicht Amt und Kronen an, noch bunte Zier.“

 

Der Dornbusch sprach, ihm kam die wahl zu Statten:

...

...

Erheb’ dich, meine Freundin, meine Schöne.

                Hohel. 2.

 

Erheb’ dich, meine Freundin, meine Schöne!

Der Winter floh, die Regen sind vergangen,

O tritt hervor in’s allgemeine Prangen,

Daß deine Schönheit Lenzesschönheit kröne.

 

Erschließ dein Ohr den süßesten der Töne,

Die je aus zarten Vogelkehlen drangen;

Es sproß’t und blüht, wohin die Blicke langen,

Die Taube girrt ein zärtliches Gestöhne.

 

Die Rebe weint und würzt die leisen Lüfte,

Die junge Feige hüllet sich in Düfte,

Die Welt ist all’ getaucht in Farb’ und Licht.

 

Verlaß, mein Täubchen, deine Felsenklüfte,

Verlaß dein Nest, beschirmt von Klippen dicht,

Und laß mich schau’n dein holdes Angesicht.

 

 

Aus Salomon’s hohem Liede

 

 

...

...

Und tritt hervor ins allgemeine Prangen,

...

 

Es sproßt und blüht, soweit die Blicke langen,

Die Taube girrt ein zärtliches Gestöhne,

Erschließ dein Ohr den süßesten der Töne,

So viel’ aus zarten Vogelkehlen drangen.

 

Die Rebe weint und würzt die linden Lüfte,

Die junge Feige schwillt und athmet Düfte,

...

 

...

...

Und laß mich schaun dein lichtes Angesicht.

Psalmen

 

I.

 

Jehova donnert, der Gewaltige,

Und über Wasser rollt des Donners Schwere,

Und weithin dröhnet über alle Meere

Des Donn’rers Stimme, die nachhaltige.

 

Sie sprühet Flammen, tausendfaltige,

Und durchbraust die Wüste, daß sie gähre,

Erschüttert kreise, wild aus sich gebäre

Gebirg’ und Hügel, vielgestaltige.

 

Jehova’s Stimme, die den Wald entblättert,

Und die die Cedern Libanons zerschmettert,

Macht Berge gleichwie junge Kälber springen.

 

Erhaben, furchtbar ist Jehova’s Stimme,

Und alles Leben bebt vor seinem Grimme,

Läßt er sie durch das Mark der Erde dringen. -

 

 

 

 

 

 

Jehova

 

...

Entlang die Wasser rollt des Donners Schwere,

Die Tiefen schütternd schallt von Meer zu Meere

...

 

Und Flammen sprühend, tausendfaltige,

Durchdröhnt sein Ruf die Wüste, daß sie gähre,

Befruchtet kreis’ und groß aus sich gebäre

...

 

...

...

...

 

...

...

Wenn er durch’s Mark sie läßt der Erde dringen.

II.

 

An Babel’s Strömen saßen wir als Knechte;

Im Herzen wühlte hoffnungsloses Sehnen,

Von uns’ren Augen trofen heiße Thränen,

Und krampfhaft ballt’ im Grimme sich die Rechte.

 

O, Fluch dem tempelräub’rischen Geschlechte!

Geknechtet auch die Seele mußten wähnen,

Die sprachen: „Rührt an eu’rer Harfen Strähnen

Und singt, bekränzt und salbt das Haargeflechte!“

 

Von Sion ferne fröhlich sein und singen?

Eh’vor verlern’ die Rechte sich zu heben,

Und bleib’ die feile Zung’ am Gaumen kleben!

 

An Babel’s Weiden uns’re Harfen hingen,

Zuweilen nur mitklagend sie erwachten,

Als uns’rer Heimat, Salem’s wir gedachten. -

 

 

 

An Babels Flüssen saßen wir als Knechte

 

An Babels Flüssen saßen wir als Knechte,

Im Herzen siechte hoffnungsloses Sehnen,

Vom Auge troffen ungezählte Thränen,

...

 

...

Darf’s auch geknechtet unsre Seelen wähnen?

„Singt, Mägdlein, rührt an eurer Harfen Strähnen.

Bekränzt das Haupt und salbt das Haargeflechte!

 

Entfernt von Sion Saitenspiel und Singen,

Ehvor verlernt die Rechte sich zu heben

Und bleibt die feile Zung’ am Gaumen kleben!

 

...

Mitklagend sie zuweilen nur erwachten,

Wenn unsrer Heimat, Salem’s wir gedachten.

III.

 

Wo berg’ ich mich vor Deiner Augen Helle?

O Herzenkundiger! Du weißt das Wort,

Bevor es von des Schweigens dunklem Port’

Ausfährt, getragen von der Rede Welle.

 

Erhöb’ ich mich zu Deiner Himmel Schwelle,

Dich, Herrlicher, Dich fänd’ und schaut’ ich dort;

Und hätt’ ich in den Abgrund mich gebohrt,

Du folgtest mir mit der Gedanken Schnelle.

 

Und flög’ ich auf der Morgenröthe Schwingen

Und hielte Rast am fernsten Meeressaum,

Nicht könnt’ ich los von Deiner Hand mich ringen.

 

Und hüllt mich Nacht in ihren Mantel dicht:

Vor Dir zerfließt die Finsterniß wie Schaum,

Und Nacht ist Licht vor Deinem Angesicht.

 

 

Davidscher Psalm

 

...

...

...

...

 

...

...

...

...

 

Entflöh ich auf der Morgenröthe Schwingen

...

...

 

Und leiht die Nacht mir ihres Dunkels Dichte:

...

...

Die Weisheit

                Sprüch. 8

 

Bevor die Erde hing im Ätherraum,

Auf Säulen sich erhob der Himmelsbogen;

Bevor der Sonne lichte Pfeile flogen,

Und schimmert’ ihres Pfühles Rosenflaum;

 

Bevor ein Damm gesetzt dem Wogenschaum,

Der Erde Höh’n die Grenze war gezogen;

Noch stand kein Baum, von gold’ner Frucht gebogen,

Noch quoll kein Born hervor zum Waldessaum:

 

Da war schon ich, von Ewigkeit geboren,

Die zur Vertrauten sich der Herr erkoren,

Die Tag für Tag auch seine Wonne war.

 

Ich spielt’ und hüpft’ auf seinem Erdenkreise,

Der Menschenkinder Zucht und kluge Weise

War meine Sorg’ und Freude immerdar.

 

 

 

   Die Weisheit

             Sprüch. 8

 

...

...

...

...

 

Noch war kein Damm gesetzt dem Wogenschaum,

Der Erde Höh’n die Grenze nicht gezogen,

...

Noch quoll kein Born hervor zum Waldessaum:

 

...

...

...

 

Ich hüpft und spielt’ auf seinem Erdenkreise,

...

War meine Sorg’ und Kurzweil immerdar.

 

Vanitas

                Pred. 1.

 

Die Sonne darf nicht ändern ihre Bahn,

Sie lechzt nach Ruh’ und kann sie nicht erreichen;

Und ob die Winde nord-, ob südwärts streichen,

Sie langen stets bei ihrem Ausgang an.

 

Vom Land in’s Meer, vom Meer auf’s Land sodann!

Das Wasser darf von dieser Norm nicht weichen;

Im steten Wechsel von Geburt und Leichen

Spinnt sich die Kette fort, wie sie begann.

 

Was jetzt besteht, schon einmal war es da,

was jetzt geschieht, schon einmal so geschah,

Und der Vergessenheit rollt Alles zu.

 

Was mühst du dich, mein stolzes Menschenkind?

O sieh, wie eitel deine Werke sind,

Im ew’gen Einerlei – ein Tropfen du! -

 

 

 

Vanitas

             Pred. 1.

 

...

...

Die Winde mögen nord- und südwärts streichen,

Sie langen wieder bei dem Ausgang an.

 

...

...

...

Spinnt sich das Leben weiter, wie’s begann.

 

...

...

...

 

...

Sieh zu, wie nichtig deine Werke sind,

Im Meer des Einerlei’s – Ein Tropfen du!